Mythologie | 07.02.2009

Der ägyptische Schöpfungsmythos


Die Abenteuer des verschwundenen Penis

Die Geschichte um Osiris und seine Frau Isis hat eine Fortsetzung, doch das Problem mit ihr besteht darin, dass sie sich im Verlaufe der ägyptischen Geschichte mehrmals verändert hat, wobei sie jeweils in verschiedenen Fassungen vorzufinden war. Isis Sohn Horus gibt es zum Beispiel ganze 15 Mal, jeweils mit einer eigenen Geschichte, die mal so und mal so erzählt wurde. Mehr oder weniger auf folgende Weise ging der Mythos aber weiter:

Nachdem Seth seinen Bruder und Rivalen Osiris in 14 Teile zerhackt und diese über ganz Ägypten verstreut hat, macht sich Isis daran, die Teile zu suchen. In einer Version errichtet sie bei jedem Körperteil einen Tempel, in einer anderen setzt sie alle Teile wieder zusammen und kann nur den Penis ihres Mannes nicht finden, den 14. Teil. Der Oxyrhynchus-Fisch hat ihn nämlich verschluckt. Darum ist dieser Fisch überall in Ägypten sehr unbeliebt, nur nicht in der Stadt Oxyrhynchus in Fayum, wo man ihn für heilig erklärt hat. Offenbar ist es nämlich gut für den Tourismus, wenn ein Fisch, der so heißt wie Ihre Stadt, den Penis eines Gottes frisst. Insofern kann man diese Praxis nur weiterempfehlen.

Osiris Leichnam bestattet Isis in der Stadt Abydos, der bedeutensten religiösen Kultstätte des alten Ägyptens. Dort wird Pharao Sethos I. (1291-1278 v. Chr.) einen großen Tempel mit sieben Altarräumen errichten, einen für sich selbst und den Rest für die wichtigsten Götter. Der schakalköpfige Gott Anubis, zuständig für das Einbalsamieren und für die Begleitung der Seelen nach Westen (ins Totenreich), setzt die 13 Körperteile von Osiris wieder zusammen und balsamiert sie ein. In einer anderen Version wird Osiris mit allen 14 Teilen einbalsamiert und Isis versucht ihn wieder zum Leben zu erwecken, und zwar mit Hilfe eines heiligen Rituals, dem Vorläufer von Jahwes Idee, Adam durch die Nase Leben einzuhauchen: Dem Fellatio (siehe Bild). Das funktioniert allerdings nicht. Erst als sich Isis in einen Milan verwandelt, kann sie mit Osiris einen Sohn zeugen. Wie genau man sich das vorzustellen hat, ist unklar. Aber es klappt: Isis bringt Horus auf die Welt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die christlichen Mariendarstellungen kunstgeschichtlich auf altägyptische Darstellungen von Isis und Horus zurückgehen: Genau wie Maria ihren Sohn Jesus im Arm hält, so hält Isis ihren Sohn Horus im Arm.

Horus wird sich von nun an mit Seth, dem Mörder seines Vaters, streiten. Eines Tages haben die anderen Götter genug davon und bringen die Sache vor das göttliche Gericht unter dem Vorsitz von Re. Wie man das aus Deutschland kennt, kann sich ein Verfahren oft jahrelang hinziehen und dies ist auch hier so. Die Götter bedrohen sich ständig gegenseitig und bringen Urteile zu Fall. Schließlich wird aber doch Horus zum König ernannt.

Ähnlich wie der Dalai Lama sehen sich die Pharaonen als „Gottmenschen“. Sie behaupten alle, die Reinkarnationen von Horus zu sein. Dessen Vater Osiris darf währenddessen die Rolle des Totengottes übernehmen (offenbar ist er wieder lebendig und nicht mehr einbalsamiert). Seth wird derweil zum „Ort des Bösen“ verbannt: In die Wüste. Die alten Ägypter konnten die Wüste nämlich gar nicht leiden und hielten sich lieber nahe am Nil auf. Interessanterweise sind die meisten Länder der „Achse des Bösen“ ebenfalls von Wüsten bedeckt. Die alten Ägypter wussten es eben damals schon: Traue niemals einer Wüste.

 

Der sinnlose Cartoon am Ende

Das sinnvolle Schlusswort

Nächstes Mal befassen wir uns mit den griechischen Mythen, die einen vergleichbar großen Einfluss auf die Kultur des Abendlandes hatten wie die biblischen und im Gegensatz zu diesen wenigstens den Anstand besitzen, nicht mehr geglaubt zu werden.


AM

 

Die Mythen-Reihe von darwin-jahr.de

1. Einleitung

2. Sumer

3. Babylon

4. Ägypten