Unsere Empfehlung für Sie | 19.01.2011
Wie Wissenschaft das Phänomen Religion heute biologisch definieren kann
von Andreas Kilian
Alibri, 2010
230 Seiten, kartoniert, Euro 17.-
Bis heute gibt es keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Religion. Der Evolutionsbiologe Andreas Kilian nimmt sich dieser Problematik an und erarbeitet eine Begriffsbestimmung, die allein mit naturwissenschaftlichen Kategorien auskommt. Zuerst bietet er einen Überblick darüber, was Theologen, Soziologen, Religionswissenschaftler und Vertreter anderer Fakultäten zum Wesen der Religion gesagt haben. Darauf aufbauend schildert der Autor die biologische „Substanz“, die uns zur Religion befähigt: die kognitiven Fähigkeiten, die individuellen Erfahrungen, ihre Synchronisation zu einer religösen überindividuellen Organisierung. Ausführlich geht er auf die Funktionen der Religion im Alltag ein und auf ihren Einfluss auf die Geschichte.
Für Kilian ist Religion ein Verhalten, eine Strategie, eine spezielle Art von Egoismus. Ein wesentlicher Kern von Religion ist ihre Nicht-Logik, der Verweis ihrer Vertreter auf nicht überprüfbare Argumente. Diese Nicht-Logik folgt einer eigenen Evolution, einer eigenen Logik, die für untergeordnete „Beta-Tiere“ zahlreiche Möglichkeit bietet, sich Macht und Ressourcen zu sichern und in der gesellschaftlichen Hierarchie aufzusteigen. Die biologische Definition, die Kilian erarbeitet, läuft darauf hinaus, dass Religion ein Verhalten ist, mit Hilfe von nicht-logischen und nicht-überprüfbaren Argumentationsebenen den je eigenen Egoismus mit und gegen die Gruppenmitglieder zu rechtfertigen, durchzusetzen und befriedigen zu können. Anders gesagt: Religion ist eine Vorteilsnahme, die sich unredlicher Argumente bedient.
Tatsächlich kommt Kilian bei seiner Definition ganz ohne Bezug auf „jenseitige“ oder „höhere Mächte“ aus. Auch gelingt es ihm, Religion einerseits von Spiritualität (die rein individuell ist) und andererseits von Politik, Ideologie und Wahnvorstellungen abzugrenzen. Dabei stützt sich der Autor auf zahlreiche aktuelle Forschungsergebnisse, die allgemeinverständlich dargelegt werden.
Religion ist für Kilian evolutiv nicht notwendig und es gibt auch keine „Religionsgene“. Die Gesellschaft kann sich von daher von Religion emanzipieren.