Aus der Forschung | 13.12.2012

Zähmen Paviane Hunde?

Darwin-Jahr Bild

Paviane bringen Hunde in ihre Gewalt und integrieren sie in ihre Gemeinschaft. Am Stadtrand der saudi-arabischen Stadt Taif wurde gefilmt, wie die Primaten Welpen verwilderter Hunde kidnappen, und ebenso, dass Hunde mitunter in enger Gemeinschaft mit den Primaten leben. Handelt es sich um zuvor gekidnappte Jungtiere? Vielleicht ein Spezialfall in einem besonderen Habitat, wo beide in der Nähe der Müllkippen genug Nahrung finden, oder nur eine zufällige Koexistenz auf engstem Raum? Diese Diskussion bewegt die Wissenschaft.

 Etwa 35.000 Paviane der Spezies Papio hamadrya bewohnen in Saudi-Arabien ausschließlich einen schmalen küstennahen Streifen leichter Höhenlagen, dort wo sie ausreichend Frischwasser finden. Eine weitaus größere Population bevölkert Äthiopien und Somalia. Offen ist bis heute die Frage, wie und wann sie auf die arabische Halbinsel gelangten. Der Primatologe Hans Kummer vermutete in den Neunzigern, dass sie mit altägyptischen Schiffen auf die andere Meerseite gebracht wurden, da sie alle genetisch untereinander relativ eng und zudem mit den äthiopischen Pavianen verwandt sind. Neuerdings taucht die These auf, sie könnten die Überquerung über die vor einigen zehntausend Jahren noch schmalere Meerenge von Aden geschafft haben. Zusätzliche Importe durch die alten Ägypter mögen die genetische Verwandtschaft zu ihren Vettern in Afrika aufrechterhalten haben.

In jüngster Zeit nähern die Paviane sich immer mehr den Städten, wo ein reichliches Nahrungsangebot auf Müllkippen und fütternde Ausflügler an den Highways ihnen ein besseres Auskommen garantieren als die immer weiter austrocknenden Bergregionen. Die Paviane zu beköstigen, gilt in Arabien mittlerweile als gottgefällige Tat, nicht immer zur Freude der Wissenschaftler der Arab American Baaboon Research Association, die eine Übervölkerung mit einhergehender Zunahme an Stresserscheinungen und Krankheiten befürchten. Die Paviane entfernten sich langsam von ihren ursprünglichen Gewohnheiten.

Ein ungewöhnliches Verhalten wird seit drei Jahren von den Wissenschaftlern beobachtet. Paviane kidnappen immer wieder Haustiere.

Pavianmännchen, die Kinder von weiblichen Tieren anderer Horden rauben, sind den Ethologen seit langem dies- und jenseits des Roten Meeres bekannt. Die Männchen zwingen damit die Weibchen, sich ihren Familien anzuschließen. Warum aber entführen sie Haustiere?      

Im vergangenen Jahr produzierte das französische Kamerateam Saint Thomas Productions in Partnerschaft mit dem National Geographic Channel für die Serie „Animals Like Us“ eine kaum dreiminütige Filmsequenz, auf der zu verfolgen ist, wie ein Pavian nahe den Müllkippen von Taif in Saudi-Arabien einen sogenannten Kanaan-Welpen kidnappt. Diese Hunde existieren dort seit Generationen verwildert in der Nähe der Städte. Denn Hunde gelten im Islam als unrein und teilen selten das Leben mit den Menschen als verwöhnte Haustiere. Nur Jagdhunde haben ein besseres Los. Im Folgenden zeigt der Film Paviane in familiärer Einigkeit mit ausgewachsenen Hunden. Die Hunde scheinen für die Paviane Wache zu halten. Seither wird in der Wissenschaft diskutiert, ob diese Paviane sich die Hunde regelrecht zähmen. Profitieren könnten davon beide Seiten: Die verwilderten Hunde erhielten Familienanschluss, die Paviane Schutz vor anderen Hunden. In seiner jüngsten Ausgabe  zitiert „saudi aramco world“ zudem John Wells, Mitglied der Arab American Baboon Research Association, in der man laut Wells schon länger von durch Paviane gekidnappten Katzen weiß.

Doch einig sind sich die Wissenschaftler keineswegs. Der US-amerikanische Psychologe Hal Herzog ging dem Fall sofort nach Veröffentlichung der Aufnahmen nach und holte das Urteil einer ganzen Reihe seiner Kollegen ein. In der Zeitschrift „Psychology Today“ veröffentlichte er bald darauf einen Artikel, in dem er viele Fragen aufwarf. Handelt es sich bei den zusammen mit den Pavianen auf den Klippen in offenbar vertrauter Gemeinschaft aufgenommenen Hunden wirklich um zuvor gekidnappte Hunde? Auffällig ist, dass einer der in dem Streifen zu erblickenden Hunde ein Halsband trägt. In diesem Fall handelt es sich sicher nicht um einen außerhalb der menschlichen Gemeinschaft aufgewachsenen Hund. Herzog zieht zudem das Verhalten von Schimpansen zum Vergleich heran, die oft Beutetiere mehrere Stunden in ihrer Gewalt behalten, ehe sie diese dann freilich doch töten und auffressen. Am schwierigsten aber ist wohl das Argument zu entkräften, dass  es sich um eine eher zufällige Koexistenz handeln könnte, weil beide, Paviane und Hunde, auf das gleiche überreichliche Nahrungsangebot zurückgreifen, bekräftigt Herzog unlängst seine Einwände auf einem Blog der „Huffington Post“. Dort wiederholt der auf die Haustierhaltung spezialisierte Forscher aber gleichwohl, wie sehr ihn das Thema fasziniere. Schließlich besteht wohl noch die Möglichkeit, dass der unglückliche Welpe, den man in dem Streifen schließlich der Pavianhorde hinterhertrotten sieht, schlicht den Weg zu seiner Mutter nicht mehr fand und deshalb eher geduldet blieb.

Immerhin ist auch die umgekehrte Argumentation plausibel. Gerade das üppige Vorkommen von Nahrungsquellen könnte es den Pavianen erlauben, das Kidnapping zu einem ganz anderen Ziel einzusetzen, als ursprünglich in ihrer Verhaltensstruktur angelegt. Gar mit rein spielerischer Absicht. Ein an der Küste des Roten Meeres aufgenommenes Video demonstriert, wie Hunde und Paviane gewöhnlich eher auf Distanz leben, wobei es die Hunde sind, die zu respektvollem Rückzug tendieren. Langjährige Beobachtungen afrikanischer Paviane belegen, dass diese in Schakalen, Hyänen und Hunden gar ihre Hauptfeinde sehen und es den Pavianmännchen obliegt, ihre Horde gegenüber diesen Fressfeinden zu verteidigen. Umso mehr bringen die in Taif gemachten Beobachtungen zum Nachdenken, und geklärt ist der Fall für die Wissenschaft wohl noch nicht.

Simone Guski

  

http://www.youtube.com/watch?v=7I7-SADai3Y

http://www.youtube.com/watch?v=y39rIfyB8xM