Presseschau | 17.07.2010

Wir sind geschmolzen

Heile Welt: Als wir noch nicht geschmolzen waren (Foto: morguefile.com)

Beim letzten Ausfall der Klimaanlage während unserer Bahnfahrt ins berühmte Liechtensteiner Naturkundemuseum ist das Darwin-Team geschmolzen. Mit unserer letzten Kraft haben wir das Unmögliche geleistet und vorher noch eine neue Presseschau auf die Beine gestellt. Es geht einmal mehr um verschiedenste Themen, darunter die Glücks- und die Intelligenzforschung.

 

Schon wieder Missing Link

In den letzten Jahren ist eine wahre Flut an echten und unechten Missing Links – gemeinsame Vorfahren von Menschen und Affen – über uns hereingebrochen. Neben „Ida“, die kein Missing Link war, gab es zum Beispiel „Ardi“ und den Australopithecus sediba („Austri“?), die in jene Kategorie fallen. Zudem kam ein Animationsfilm mit einem Charakter namens „The Missing Link“ in die Kinos. Und nun ist schon wieder einer aufgetaucht. Der Neue heißt „Saadanius hijazensis“, nennen wir ihn also „Saadi“.

Saadi ist der Traum aller Topmodels, denn er wog nur 15-20 Kilogramm. Andererseits beträgt sein Alter 28-29 Millionen Jahre, was nicht ideal ist für das Model-Gewerbe. Man sieht es ihm auch zu sehr an, weil nur noch ein paar Knochen von ihm übrig sind. Saadi ist, wie angedeutet, ein gemeinsamer Vorfahre der menschenartigen Affen und der Altweltaffen. Das Besondere: Die Knochenfunde beweisen, dass sich menschenartige Affen später entwickelt haben, als vermutet, nämlich vor 28-29 Millionen Jahren. Bislang rechnete man mit 30-35 Millionen Jahren. Das klingt vielleicht mäßig spannend, aber Biologen sind ganz aus dem Häuschen und schreiben ihre evolutionsgeschichtlichen Bücher um.

 

Wir wissen nichts

Wir haben mal wieder keine Ahnung, aber auch Craig Venter, der Entschlüsseler des menschlichen Genoms und Erschaffer künstlichen Lebens, sagte im Spiegel-Interview, wir wüssten noch so gut wie nichts über die Funktionsweise der Gene. Zum Beispiel meinte er, dass die Information über ein erhöhtes Alzheimerrisiko wertlos sei, da wir zusätzlich Gene haben könnten, die dem entgegen wirken. Der medizinische Nutzen des Genomprojektes sei „gleich Null“, sagte Venter:

„Wenn Sie wissen wollen, warum einer Alzheimer bekommt oder Krebs, reicht es nicht, einzelne Gene anzugucken. Dazu muss man das gesamte Bild sehen. Andernfalls ist es so, als wollten Sie hier in Valencia die Stadt erkunden, und alles, was Sie sehen, ist dieser Tisch. Sie sehen ein wenig Rost, aber der sagt Ihnen wenig über Valencia, außer vielleicht, dass die Luft hier salzhaltig ist. So steht es um unser Wissen vom Genom: Wir wissen nichts.“

Allerdings sei es sinnvoll, bei erhöhtem Risiko für bestimmte Erkrankungen gesünder zu leben, so Venter. Er zeigt sich besorgt über das mangelnde wissenschaftliche Verständnis der Öffentlichkeit:

„Gewiss, ich kann Ihr Genom lesen, was niemand in der Geschichte zuvor konnte. Und ich kann neues Leben herstellen, was niemand zuvor konnte. Aber da handelt es sich nicht um göttliche, sondern um wissenschaftliche Macht. Und dass dies in unserer Gesellschaft nicht verstanden wird, das ist ein wirkliches Problem. Denn diese Gesellschaft ist völlig abhängig von der Wissenschaft. Wenn wir auch in Zukunft genug Wasser, genug Essen und genug Energie haben wollen, ohne dabei unseren Planeten total zu zerstören, dann haben wir nur eine Wahl, und die heißt: gute Wissenschaft.“

Craig Venter ist schon ein paar Mal mit Richard Dawkins zusammen aufgetreten, unter anderem in der Dokumentation „The Genius of Charles Darwin“. Was den Glauben betrifft, scheint er essenziell derselben Meinung zu sein wie Dawkins: „...wie Collins Glaube und Wissenschaft versöhnt, das ist seine Sache. Für mich gilt: entweder Glaube oder Wissenschaft, beides zusammen geht nicht.“

Venters „gute Wissenschaft“ verspricht in der Tat rosige Aussichten: „Nicht nur Benzin. Plastik, Asphalt, Heizöl: Alles, was heute aus Erdöl gemacht wird, wird irgendwann von Bakterien oder anderen Zellen hergestellt werden. Ob in 5, 10 oder 20 Jahren, das ist noch nicht klar.“