Neuerscheinung | 20.01.2009

Werden und Vergehen

Universitas

"Werden und Vergehen – zum 200. Geburtstag von Charles Darwin": So heißt das Schwerpunkt-Thema der Januar-Ausgabe von der Zeitschrift UNIVERSITAS. Vier Essays beleuchten auf insgesamt 66 Seiten die Entstehung und Bedeutung der Evolutionstheorie sowie ihre Konsequenzen für das Weltbild – und zwar viel tiefgründiger und detaillierter als die Jubiläumsartikel in diversen anderen Zeitschriften.

 

Besonders wer sich für die historischen Hintergründe und die philosophischen Aspekte der Evolutionstheorie interessiert, hat von diesem Band großen Gewinn. Denn der Untertitel der renommierten Zeitschrift, "Orientierung in der Wissenswelt", ist keine Leerformel.

Für die Theologie bedeutet die Evolutionstheorie, so schreibt der Herausgeber Dirk Katzschmann in seinem Editorial, "nichts anders als ein Generalangriff. Übernatürliche Erklärungen und die Existenz eines Schöpfergottes sind mit ihr nicht in Einklang zu bringen – daran ändern auch die Versuche, den grundsätzlichen Widerspruch zwischen Religion und Evolutionstheorie durch Kreationismus und Intelligent Design wieder aufzuheben, nichts. Letztere sind ausschließlich weltanschaulich motiviert und entbehren jeder wissenschaftlichen Stichhaltigkeit."


Metaphysik mit anderen Mitteln

Rüdiger Vaas hat dies in seinem Essay ebenfalls betont: "Die Evolutionstheorie bedeutet also nicht nur eine Revolution in der Biologie, sondern auch für unser Welt- und Menschenbild", schreibt der Biologe und Philosoph. "Naturtheologische Erklärungsversuche der Angepasstheit des Lebens wurden obsolet. Damit verlor der bis dahin populäre teleologische Gottesbeweis seine wesentliche Stütze. Das Postulat von der Existenz eines Schöpfergottes geriet einmal mehr unter Beschuss. Entsprechend stark waren – und sind teilweise noch – die weltanschaulichen, überwiegend religiös motivierten Widerstände. Aus naturwissenschaftlicher Sicht erübrigt sich allerdings längst jede Diskussion von Kreationismus und 'Intelligent Design'. Denn dahinter steckt lediglich Ideologie oder Pseudowissenschaft, keine wissenschaftliche Alternative zur Evolutionsbiologie – auch wenn dies unter anderem aus politischen Gründen immer wieder zu suggerieren versucht wird. Kreationistische Auffassungen genügen den Mindeststandards wissenschaftlicher Theoriebildung und empirischer Untersuchungen nicht."

"Die Evolution der Evolution", genauer: ihrer Entdeckung und Erklärung, zeichnet Vaas in seinem 25-seitigen Beitrag nach: Von den antiken Urzeugung-Theorien bis zu dem kühnen Gedanken von Immanuel Kant, der schon 1790 darüber spekulierte, dass "eine Gattung aus der andern, und alle aus einer einzigen Originalgattung" entstanden oder die Gattungen aus einem "einzigen erzeugenden Mutterschoße" entsprangen sein konnten, doch davor zurückschreckte, weil er glaubte, dass dies Schlussfolgerungen führen würden, die "so ungeheuer sind, dass die Vernunft vor ihnen zurückbebt". Die multidisziplinäre Voraussetzungen für Darwins Evolutionstheorie werden dann ebenso beschrieben wie der Inhalt von Darwins fünf Theorien und die Entwicklung des Darwinismus sowie die große Synthese und die aktuellen Forschungsfragen. Schließlich wird skizziert, wie die Evolutionstheorie auch eine Art Metaphysik mit anderen Mitteln ist und warum ohne sie die Wissenschaft vom Leben bloß ein eklektisches Briefmarkenalbum wäre und keinen inneren Zusammenhang hätte.


Ein Labor der Evolution

Eine Mischung aus historischem Rückblick und aktueller Vergegenwärtigung hat Jürgen Neffe geschrieben. Der Wissenschaftsjournalist besuchte Galápagos auf Darwins Spuren und fragte sich: "Was gibt es hier, das dem Mythos gerecht wird? Was lockt Scharen von Pauschalreisenden an, die 'Darwins Inseln' buchen? Wie wichtig war ihm selbst der Archipel? Und: Hätte er seine Theorie entwickeln können, wenn er nie an diesem Ort gewesen wäre?"

Neffe zeichnet nach, wie Darwins zoologische Studien auf den Galápagos-Inseln für ihn "die Stabilität der Arten untergraben" haben und einer der entscheidenden Anstöße für die Entwicklung seiner Evolutionstheorie war. Er erläutert aber auch, auf welche Weise der Massentourismus und dessen Folgen dieses "Labor der Evolution" nun bedrohen. Und er beschreibt, wie ganz andere Inseln die Evolutionstheorie unabhängig motiviert haben, nämlich in Form der Erkenntnisse von Alfred Wallace, der in Südostasien ebenfalls den Artenwandel und die natürliche Selektion entdeckte.