Gastbeitrag | 22.01.2010

Die Wahrheit zählt noch

NCSEWie fantastisch wäre das denn? Ich rede einem solchen Dialog in diesem speziellen Kontext nicht das Wort – wie ich eben gesagt habe, sollten wissenschaftliche Organisationen einfach einen direkten Kurs fahren. Aber diese Antworten haben einen großen Vorteil, nämlich jenen, dass ich sie für „wahr“ halte.

Das ist der Kern der Sache. Interessensvertreter und Bildungsorganisationen haben das Ziel, Wissenschaft und Bildung so gut wie möglich zu unterstützen, aber es gibt Grenzen. Zum Beispiel sollten sie bei der Wahrheit bleiben. Ich habe versucht, in meinem Beitrag über Politiker und Kritiker hierfür zu argumentieren – das Hauptziel von einigen Leuten ist die Vertretung von irgendeiner Sache, während andere schlicht der Wahrheit verpflichtet sind. Aber eine Organisation, welche die Interessen der Wissenschaft vertritt, muss beide einbeziehen.

Und es gibt einige Wissenschaftler – eine ganze Menge von uns sogar – die ohne Umschweife glauben, dass Wissenschaft und Religion unvereinbar sind. Es gibt zweifellos auch jene, die nicht dieser Meinung sind, klare Sache. Aber die Wahrheit festzustellen ist eine Aufgabe, die einer ehrlichen und effektiven Interessensvertretung vorausgeht, nicht eine, die man einfach unter den Teppich kehren kann, wann immer sie unbequem ist oder wann immer sie nicht als die beste Verkaufsmasche taugt. Das ist auch der Grund, warum es sich lohnt, immer wieder diese Debatten über Wissenschaft und Religion durchzugehen, sogar im Angesicht von wiederholt krassen Falschdarstellungen seiner Meinungen. Falls Wissenschaft und Religion wirklich unvereinbar sind, dann wäre es unehrlich und verantwortungslos, etwas anderes zu behaupten, selbst wenn es ein paar beunruhigte Seelen trösten könnte, wenn man das tut. Und falls Sie argumentieren wollen, dass Wissenschaft und Religion tatsächlich vereinbar sind (und nicht nur, dass es Leute gibt, die das glauben), dann argumentieren Sie bitte auf jeden Fall dafür – diese Diskussion lohnt sich. Aber es ist einfach falsch, die Position zu vertreten, dass es egal ist, ob Wissenschaft und Religion vereinbar sind, dass wir immer noch so tun müssten, um die Gefühle der Menschen nicht zu verletzen. Das ist unehrlich.

Ich habe kein Problem damit, wenn das NCSE und andere Organisationen darauf hinweisen, dass es Wissenschaftler gibt, die religiös sind. Das ist eine unumstrittene Tatsachenbehauptung. Aber ich habe ein großes Problem damit, wenn sie Aussagen darüber tätigen, ob man sich in einem Konflikt mit der Wissenschaft befindet, wenn man religiöse Ansichten vertritt (oder andersherum), oder wenn man „Glaubensprojekte“ gründet oder allgemein Partei für politisch vorteilhafte Seiten ergreift, die nicht streng wissenschaftlich sind. Und Leuten zu erklären, wo ihre Pastoren falsch lagen, wenn sie über Verdammnis sprechen? Auf keinen Fall.

Momentan gibt es keinen starken Konsens innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft, was in Hinsicht auf Wissenschaft und Religion eigentlich zutrifft; ich habe meine Ansichten, aber leider werden diese nicht universell geteilt. Also sollte die Strategie für das NCSE und andere Organisationen offensichtlich sein: Bleibt dem Thema einfach fern. Sprecht weiterhin über Wissenschaft. Ja, das ist eine Strategie, mit der man einige potenzielle Konvertiten (sozusagen) verlieren kann. So sei es! Der Grund, warum es sich lohnt, diese Schlacht überhaupt zu schlagen, besteht darin, dass wir uns der Aufgabe gewidmet haben, die Wahrheit zu verkünden und nicht nur, um ein paar politische Geplänkel zum Selbstzweck zu gewinnen. Denn was gewinnt ein Mensch, wenn er die ganze Welt erhält, aber seine Seele verliert? (Mt. 16:26.)

Sean Carroll

 

Quelle: Cosmic Variance

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Sean Carroll ist Theoretischer Astrophysiker. Von ihm stammt der einflussreiche Wissenschaftsblog Cosmic Variance. Er ist außerdem Autor des neuen Buches „From Eternity to Here“. Wie zunehmend viele Wissenschaftler lehnte es Carroll ab, auf einer Konferenz der christlichen John Templeton Stiftung aufzutreten, um nicht den Eindruck zu erwecken, er würde Wissenschaft und Religion für vereinbar halten.