Rezension | 12.01.2009

Die unerschöpfte Theorie

Die unerschöpfte Theorie

"Die unerschöpfte Theorie" dokumentiert den fast gleichnamigen Bildungskongress von 2007, beinhaltet also die dortigen Vorträge in angepasster schriftlicher Form. Beleuchtet er die Thematik angemessen oder wäre der Kongress besser ausgestorben?

 

 

Nicole Thies: Die unerschöpfte Theorie – Positionen und Reaktionen

In Nicole Thies Eröffnungsbeitrag „Die unerschöpfte Theorie – Positionen und Reaktionen“ erfährt man die Gründe für die damalige Wahl des Veranstaltungsnamens „¡Die erschöpfte Theorie? Evolution und Kreationismus in Wissenschaften“. Obwohl man sich etwas dabei gedacht hat, wurden die künstlerisch anmutenden Ideen eines umgedrehten Ausrufezeichens und eines fehlenden Artikels („in Wissenschaften“) nicht gut aufgenommen, daher wohl auch der abweichende Titel dieses Bandes. Der Tagungskongress hat im Nachhinein trotzdem überregionales Interesse ausgelöst.

 

Dittmar Graf: Kreationismus vor den Toren des Biologieunterrichts?

Es folgt ein Beitrag von Dittmar Graf, in dem er die Frage beantwortet, ob und inwiefern der Kreationismus vor den Toren des Biologieunterrichts steht. Mit Hilfe zahlreicher Studien fragt er nach der internationalen Akzeptanz der Evolutionstheorie und gibt Gründe an, wo sie warum nicht akzeptiert wird. Dabei geht es auch um häufige Missverständnisse der Theorie. Am Ende bietet er Lösungsvorschläge an, wie man die Evolution besser vermitteln könnte. Der Beitrag ist sehr gelungen, allenfalls manche der begleitenden Graphiken sind etwas verwirrend. Da wäre etwas weniger mehr gewesen, doch das tut der insgesamt hohen Qualität des Beitrags kaum einen Abbruch.


Christoph Lammers: Vom Streitfall Evolution und dem „Bildungsmarkt“

In Christoph Lammers Beitrag geht es um kreationistische Strategien, mit denen sie versuchen, Einfluss auf den Bildungsmarkt zu bekommen. Er geht auf die Lage in den USA ein, wo keine Religion in staatlichen Schulen gelehrt werden darf, allerdings sind konfessionelle Heimschulen erlaubt. Auch in Deutschland erstarken private Bildungsanbieter. Zudem hat der Freistaat Bayern der bibeltreuen Gemeinschaft der „Zwölf Stämme“ im Widerspruch zu bisherigen Gerichtsentscheidungen gestattet, einen autonomen Unterricht anzubieten.

Lammers stellt schließlich anhand der 1,5 Millionen hiesigen Evangelikalen fest, dass sich in Deutschland eine christlich-fundamentalistische Parallelgesellschaft herausgebildet hat. Allerdings beachtet er dabei nicht die Unterschiede zwischen amerikanischen und deutschen Evangelikalen. Die Frage, ob Homosexualität verboten werden soll, beanworten Mitglieder deutscher evangelischer Freikirchen sogar etwas ablehnender als andere Konfessionen. Auch bei der allgemeinen Verhaltensbeurteilung bilden sie nicht die intoleranteste Gruppe. Das sind vielmehr deutsche Muslime, russisch-orthodoxe Christen und kleinere Gruppen christlicher Fundamentalisten. Insgesamt gesehen ist der Beitrag aber sehr informativ und gelungen.


Ulrich Kutschera: Kreationismus und Intelligentes Design – eine Gefahr für die Wissenschaft?

Auf die deutsche Kreationisten-Szene geht Ulrich Kutschera in seinem Beitrag ein, darunter vor allem auf die Studiengemeinschaft Wort & Wissen. Er spricht auch die Grundtypen-Biologie an und erwähnt die deutschen Kreationisten-Filme von Fritz Poppenberg. Der Beitrag schließt mit einem Vergleich, laut dem die Unterrichtung des Kreationismus in der Schule mit der Unterrichtung der Flache-Erde-Theorie gleichgesetzt werden kann. Im Ergebnis eine faktenreiche und informative Darstellung.


Thomas Waschke: Moderne Evolutionsgegner – Kreationismus und Intelligentes Design

Thomas Waschke erläutert die Unterschiede zwischen Kreationismus und Intelligent Design (ID). Er geht zudem auf die Positionen ihrer deutschen Vertreter ein. Auch widerlegt er die Hauptargumente der ID-Anhänger und hinterfragt die unklare Position der römisch-katholischen Kirche. Am Ende empfiehlt er im Sinne des Mottos „Kenne deinen Feind“ sich über die konkrete Position der jeweiligen Gegenspieler aus dem Kreationismus/ID-Lager zu informieren, um nicht an ihnen vorbei zu argumentieren. Der Beitrag ist umfangreich, leicht verständlich und faktenreich.