Rezension | 08.12.2010

The Moral Landscape

 

Werte sind Fakten

Irgendeine StatueDie Auffassung, dass Wissenschaft von Fakten und nicht von Normen handeln würde, ist beliebt in gebildeten Sphären. Sie wird seit der Rennaissance von Professor zu Professor weitergegeben. Der Philosoph und Psychologe Jerry Fodor drückt es so aus:

„Wissenschaft dreht sich um Fakten, nicht Normen; sie könnte uns erzählen, wie wir sind, aber sie könnte uns nicht sagen, was daran falsch ist, wie wir sind. Es könnte keine Wissenschaft des menschlichen Zustands geben.“

Harris hat folgende Haupteinwände:

 

 

  1. Was auch über die Maximierung des Wohlbefindens von bewussten Wesen gesagt werden kann – und dies ist das einzige […] was wir vernünftigerweise schätzen können – muss sich ab einem bestimmten Punkt in Fakten über Gehirne und ihre Interaktion mit der Welt als Ganzes übersetzen lassen.

  2. Bereits in der Idee von „objektivem Wissen“ (also Wissen, das durch ehrliche Beobachtung und Schlussfolgerung erzielt wurde) stecken Werte, da jeder Versuch, den wir unternehmen, über Fakten zu sprechen, von Prinzipien abhängt, die wir erst bewerten müssen (zum Beispiel logische Konsistenz, Verlassen auf Belege, Unparteilichkeit, etc.).

  3. Ansichten über Fakten und über Werte scheinen von ähnlichen Prozessen auf der Ebene des Gehirns zu resultieren: Wie es aussieht, haben wir ein gemeinsames System für die Bewertung von Wahrheit und Falschheit in beiden Bereichen.“

 

Sam Harris räumt mit einem weitverbreiteten Missverständnis darüber auf, was „objektiv“ in diesem Zusammenhang bedeutet:

„Ich behaupte gewiss nicht, dass moralische Wahrheiten unabhängig von der Erfahrung bewusster Lebewesen existieren, oder dass bestimmte Handlungen intrinsisch falsch sind. Ich sage lediglich, dass, angesichts der Tatsache, dass wir Fakten herausfinden können – reale Fakten – darüber wie bewusste Wesen das großtmögliche Leid und das großtmögliche Wohlbefinden erfahren können, es objektiv wahr ist zu sagen, dass es wahre und falsche Antworten auf moralische Fragen gibt, ob wir die nun immer in der Praxis beantworten können oder nicht.“

Wissenschaft ist ergebnisoffen und undogmatisch. Sie versucht, objektive Erkenntnisse über die Realität zu gewinnen. Warum sollte die Wissenschaft auf einmal dogmatisch werden, wenn sie sich mit Ethik befasst?