Rezension | 08.12.2010

The Moral Landscape

 

Gegen Fundamentalismus und Relativismus

Es ist nicht alles schlecht an der islamischen KulturMit seiner ethischen Position spricht sich Sam Harris sowohl gegen moralischen Fundamentalismus aus, der meint, es gäbe auf alles eine eindeutige und vorgefertigte, nicht anzuzweifelnde Antwort, wie auch gegen ethischen Relativismus, der meint, dass ethische Handlungen nicht objektiv beurteilt werden könnten. Der Relativismus ist seiner Erfahrung nach weit verbreitet unter atheistischen Intellektuellen, wie Harris in einer Fußnote anmerkt:

„In Anbetracht meiner Erfahrung als Religionskritiker muss ich sagen, dass es recht beunruhigend gewesen ist, die Karikatur des übergebildeten, atheistischen moralischen Nihilisten regelmäßig in meinem Maileingang und als Kommentator unter meinen Blogbeiträgen zu finden. Ich hoffe aufrichtig, dass Leute wie Rick Warren nicht darauf achtgegeben haben.“

Bei jeder Diskussion über sein Buch erzählt Harris eine persönliche Anekdote über ethische Beliebigkeit, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Auf einer Konferenz sprach eine Akademikerin (Harris will ihren Namen rücksichtsvollerweise nicht nennen), die in Obamas Bioethik-Komitee sitzt, über die ethischen Probleme mit einem Gebrauch von Gehirnscannern als Lügendetektoren – ein kompliziertes Gebiet mit detaillierten ethischen und legalistischen Unterscheidungen. Danach führte sie ein Gespräch mit Sam Harris. Ein Auszug:

 

Sie: Warum glauben Sie, dass die Wissenschaft jemals in der Lage sein wird zu sagen, dass es falsch ist, Frauen zum Tragen von Burkas zu zwingen?

Harris: Ich denke, dass Richtig und Falsch von dem zunehmendem oder abnehmenden Wohlbefinden abhängen – und es ist offensichtlich, dass es keine gute Strategie für die Maximierung menschlichen Wohlbefindens ist, die Hälfte der Bevölkerung zu zwingen, in Stoffbeuteln zu leben und sie zu schlagen oder zu töten, wenn sie sich weigern.

Sie: Aber das ist nur Ihre Meinung.

Harris: Ok... Dann machen wir es noch einfacher: Angenommen, wir würden eine Kultur finden, die jedes dritte Kind rituell blendet, indem sie seine oder ihre Augen im wörtlichen Sinne bei der Geburt herausnimmt, wären Sie dann der Meinung, dass wir eine Kultur gefunden haben, die das menschliche Wohlbefinden unnötig vermindert?

Sie: Das würde davon abhängen, warum sie es machen.

Harris: Sagen wir, sie tun es auf der Basis von religiösem Aberglauben. In ihrem heiligen Buch heißt es: „Jedes Dritte muss in Dunkelheit wandeln“.

Sie: Dann könnten Sie niemals sagen, dass sie unrecht hätten.