Darwin bittet zu Tisch! | 03.02.2009

Teil 2: Warum wir Hamburger und Pommes lieben

Sabine Paul klärt auf: Wie kann man sich gesund und genussvoll zugleich ernähren?

 

Wo Milch und Honig fließen…

Nach dem Ende der letzten Eiszeit beginnt die neolithische (jungsteinzeitliche) Revolution vor etwa 10.000 Jahren: Die Menschen werden sesshaft und stellen ihren Nahrungserwerb auf eine völlig neue Grundlage um: auf Ackerbau und Viehzucht. Kohlenhydrate werden nun in großem Stil nutzbar gemacht durch den Anbau von Getreide. Als weiteres energiereiches – und vor allem von den Jahreszeiten unabhängiges – Nahrungsmittel wird nun Milch genutzt. Später kommen die Verwendung von gepressten Pflanzenölen in größeren Mengen und die Gewinnung von Zucker hinzu. Das altsteinzeitliche Energieaufnahme-Optimierungsprogramm bleibt auch weiterhin in Kraft: wer Zugang zu energiereichen Nahrungsquellen hat, profitiert vor allem bei schlechten Ernten oder grassierenden Krankheiten und hat höhere Überlebens- und Reproduktionschancen. Vor gut 175 Jahren setzte dann ein weiterer großer Umbruch ein, die Industrielle Revolution. Mit ihr beginnt auch eine starke Industrialisierung bei der Nahrungsmittelverarbeitung und gipfelt derzeit in einer nie da gewesenen Fülle an Speisen und Getränken mit höchster Energiedichte: Milchprodukte aller Art, Käse, Brot, Kuchen, Torten, Brötchen, Zucker, Süßigkeiten, Softdrinks und obenauf: der Hamburger - mehr als vier Millionen Mal am Tag allein in Deutschland. Sind wir also auf dem Gipfel der Genüsse, bei einem rauschenden Dauerfest fürs Gehirn angelangt?

 

Fastfood: Fortschritt oder Fehlanpassung?

Zerlegen wir einmal exemplarisch den Hamburger unter paläolithischem Blickwinkel in seine Bestandteile: Als Grundlage dient ein Sesam-Brötchen – eine aus Auszugsmehl hergestellte und damit perfekte Quelle für einfache Kohlenhydrate. Darauf findet man gebratenes (!) zerkleinertes Hackfleisch, also eine sehr gut verdauliche Proteinquelle, in energiereichem Fett gewendet, so dass die Aromastoffe gut zur Geltung kommen. Ein paar wenige Salatblätter dienen der Dekoration (das Auge isst mit, als Vitamin- oder Ballaststoffquelle sind sie leider kaum tauglich) und überbacken wird das Ganze dann mit einer Schmelzkäsescheibe: Protein, Kalzium und Magnesium vermitteln Kraft. Gekrönt wird der Burger mit aromatischen Würzmitteln: Zwiebeln, Salzgurken, Salz, Pfeffer, Knoblauch, Dill, Kurkuma - wem jetzt nicht das Wasser im Mund zusammen läuft, der hatte vermutlich andere Vorfahren als der Rest der Menschheit… Nicht zu vergessen ist das Wonnegefühl, die warme Nahrung mit den Händen anfassen und ohne hinderliches Besteck essen zu können. So gesehen sind der Hamburger und auch die Pommes frites mit ihren vielen einfach verwertbaren Kohlenhydraten und dem Frittierfett tatsächlich Erfolgsrezepte, da sie fast perfekt unseren paläolithischen Vorlieben entsprechen. Und so erklärt sich der große Erfolg der Fastfoodketten im Gegensatz zu den derzeit hoffnungslos abgeschlagenen ernährungswissenschaftlichen Ratschlägen. So weit also ganz paläolithisch, also auch „so gut“?

Aus Gehirn-Energie-Sicht ist der Besuch eines Fastfoodrestaurants tatsächlich eine großartige Idee. Aus Gesamtkörper-Energie-Sicht ist er allerdings im Jahr 2009 eine Katastrophe. Ein Menü aus Hamburger Royal, einer mittleren Portion Pommes frites und einem mittelgroßen Softdrink kommt nach Eigenberechnung der führenden Fastfoodkette auf die Hälfte des Tagesbedarfs eines Erwachsenen (!) an Kalorien, hat zwei Drittel des Fettbedarfs, 42% der Kohlenhydratbedarfs, 53% des Zuckerbedarfs, 78% des Salzbedarfs, aber nur 28% der benötigten Ballaststoffe. Durch unsere inzwischen nicht nur sesshafte sondern nahezu bewegungslose Lebensweise – zumindest im Vergleich mit Jägern und Sammlern – haben sich die Umweltbedingungen extrem verändert. Unser zwei Millionen Jahre altes Erfolgsprogramm für die Suche nach energiereicher Nahrung wird unter diesen Bedingungen zu einer so genannten ‚Fehlanpassung’, wenn es bei dem Verzehr der Energiebomben nicht als gelegentlichem Happening bleibt, sondern sie zur typischen Nahrungsquelle werden. Unser paläolithisches (genetisch fixiertes) Ernährungsprogramm passt nicht zur neolithischen Umwelt. Die aktuellen Folgen sind die rasante Zunahme an Übergewicht, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, gefolgt von der Zuckerkrankheit und koronaren Herzerkrankungen. In den USA zeichnet sich schon ein neuer Trend ab: Die bislang steigende Lebenserwartung nimmt in der jüngeren, von Übergewicht und metabolischem Syndrom geplagten Generation der 34-54jähringen seit etwa dem Jahr 2000 wieder ab! Was ist zu tun?