Hirnforschung | 04.09.2010
Authentizität – bedroht oder erweiterbar?
Ein anderes, unmittelbar lebenspraktisches Themenfeld ist die Authentizität der Menschen. Unsere Stimmungen entstehen, wenn sie nicht pathologisch entgleisen, ja nicht aus blindem Zufall, sondern haben eine Verankerung in unserer – freilich letztlich unverfügbaren, weil von unseren Genen und Umwelten bestimmten – Persönlichkeit und den konkreten aktuellen Lebensumständen.
Die Verzückung des Verliebens und die Verzweiflung beim Verlassenwerden, die angestrengte Konzentration beim schöpferischen Prozess und die Ausgelassenheit im Freundeskreis, die Traurigkeit beim Verlust eines nahestehenden Menschen und die Frustration oder Wut angesichts von vergeblicher, sinnloser und stupider Arbeit oder ungerechten und hinterhältigen Widerfahrnissen – alle diese Gefühle sind ja der Natur der Situation gemäß und somit der eigenen Natur. Neuropharmakologische Korrekturen stören da nicht nur, sondern muten verstörend an.
Welchen Wert hat denn eine auf- oder eher eingesetzte Fröhlichkeit nur aufgrund einer Pille und also ohne einen Grund im Leben? Warum soll man sich gut fühlen, wenn die Situation gerade (oder überhaupt) nicht gut ist? Und wie will man anderen Menschen begegnen, die in Gefühlssurrogaten schwelgen, aber an Echtheit verlieren? Möchte man wirklich einen neurokosmetisch geschönten Partner haben – oder ihn sich selbst schöndopen? Welche Verbesserungen also sind wünschenswert und welche eher schädlich?