Presseschau | 13.10.2010

Sommer, Sonne, Sonnenschein

 

Werden Fundamentalisten die Erde beherrschen?

Eine ziemlich lahme AnspielungDer Religionswissenschaftler Michael Blume wurde Zeuge der letzten Presseschau, wo er nicht gut weggekommen ist. Er hat auf die Kritik geantwortet. Da wir diese Auseinandersetzung seit einer Weile haben, müsste ich schon unter Gedächtnisverlust leiden, wenn er nicht vorher etwas anderes gesagt hätte, aber seine neue Position ist weitaus eher vertretbar – mit einer gewichtigen Ausnahme. Hier zunächst einige Auszüge aus seinen Antworten:

1. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen erforschen die Evolution von Religiosität und Religionen, wie es übrigens auch schon Charles Darwin in seiner „Abstammung des Menschen“ mit teilweise sehr guten Begriffen und Hypothesen getan hat. Evolutionärer Erfolg ist aber a) immer nur historisch und kontextuell erfassbar und b) nicht einfach mit „besser“ oder „wahr“ gleich zu setzen. (Was auch schon Darwin selber so sah, der ja kein Problem damit hatte, Hypothesen zur biologischen und kulturellen Evolution von Religiosität und Religionen hin zu einem Monotheismus mit seinem Agnostizismus zu vereinbaren. Können Sie alles in „Abstammung des Menschen“ nachschlagen!) Das sehe ich auch so und betone auch ich immer wieder, auch ausführlich z.B. am Ende meines Homo religiosus-Artikels. Wie Religiosität und Religionen evolvieren ist doch eine völlig andere Frage als die, ob Religion „gut“ sei (von welchem normativen Standpunkt aus?) oder ob Gott existiert. David Sloan Wilson oder Susan Blackmore sind weiterhin Atheisten, obwohl sie das evolutionäre Potential von Religiosität sehen.

2. Ich behaupte überhaupt nicht, dass Religion eine „Adaption“ wäre. Es könnte nach derzeitigem Kenntnisstand doch mindestens genausogut z.B. als Exaptation bezeichnet werden. Denn was Sie hier ja auch nicht mehr bestreiten, ist das Potential von Religion(en), über Generationen hinweg den Reproduktionserfolg zu erhöhen, also potentiell adaptiv zu sein. Das reicht aber noch lange nicht aus, um von einer Adaption zu sprechen – es gibt dazu unterschiedlichste und noch viel weiterreichende Definitionen und ich denke nicht, dass diese Fragen schon beantwortet sind. Da haben wir noch Jahre an interdisziplinären Forschungen und Diskussionen vor uns.

Jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin wird bewusst oder unbewusst von weltanschaulichen Vorannahmen beeinflusst. Deswegen lese ich die Arbeiten und Argumente z.B. von Richard Dawkins, Susan Blackmore, Eckart Voland, F.A. von Hayek etc. und vieler anderer, bekennender Atheisten und Agnostiker mit besonderem Interesse – denn sie formulieren ganz eigene und damit anregende und wichtige Perspektiven, Einsichten und Argumente. Und noch spannender wird es, wenn der kritisch-konstruktive Dialog miteinander läuft.

Und was die Frage der Kritik angeht: Ich finde, dass es auch Religionskritik in einer freien Gesellschaft unbedingt braucht. Dazu gehört auch die Erinnerung an Gräueltaten im Namen der Religion(en) wie z.B. die Kreuzzüge oder die Theokratie im Iran. In gleicher Weise muss aber auch Kritik an jeder anderen weltanschaulichen Position, z.B. am Atheismus bzw. Antitheismus möglich sein – und an deren Missbrauch z.B. durch den Stalinismus oder das Regime in Nordkorea.

Ich weise lediglich dahin, dass Atheismus und vor allem Antitheismus ebenso mißbraucht wurden und werden wie religiöse Glaubenslehren. An dieser Stelle kann ich Ihnen nur zustimmen – „die tatsächliche Ursache: Unfreiheit und zu viel Macht bei einer einzigen Partei. Ob die führenden Ideologen Kommunisten sind oder Mullahs, ist ziemlich egal.“

Aus diesem Grund habe ich z.B. im Nordkorea-Artikel ja auch nicht „den“ Atheismus kritisiert, sondern den „verordneten Atheismus“! Ganz genau so, wie ich „verordneten Theismus“ ablehne.