Philosophie | 24.12.2009

3. Kondore sind ok, Dinos nicht
Kondore soll man erschaffen dürfen, weil sie (beinahe) durch kleine Naturkatastrophen und menschliche Eingriffe ausgerottet wurden, aber Dinos nicht, weil sie durch eine große Naturkatastrophe ausgerottet wurden. Der Film schließt mit einem romantischen Bild von fliegenden Kondoren. Der Filmcharakter Ian Malcolm sagt über die Dinosaurier: "Die Natur selektiere sie zum Aussterben". Das ist ein ganz altes Missverständnis der Evolution, mit dem sich schon Darwin herumschlagen musste. Die Natur ist keine Person, es steckt kein Plan hinter dem Massenaussterben der Dinos. Das war eine zufällige Verkettung von Umständen. Es ist einfach passiert und hätte ebenso nicht geschehen können. Die Natur wäre keineswegs beleidigt, wenn die Dinos doch nicht augestorben wären. Es wäre ihr egal, wie alles andere auch. Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen dem (potenziellen) Aussterben von Kondoren und dem Aussterben von Dinosauriern.
4. Eine Vergewaltigung der Natur
Die Erschaffung von Dinos soll "eine Vergewaltigung der Natur" sein, sagt Chaostheoretiker Ian Malcolm. Man fragt sich spätestens an dieser Stelle, warum ausgerechnet ein Chaostheoretiker (Komplexitätsforscher) eine konservative Moralphilosophie vertreten sollte? Gerade er sollte wissen, dass die Natur kein Interesse an uns hat und an dem, was wir tun. Auch in der aktuellen Klimadiskussion werden Argumente vorgebracht, laut denen wir uns irgendwie mit "der Natur" oder mit "dem Klima" angelegt haben sollen, die sich nun rächen würden. Das ist falsch, vielmehr ist der menschengemachte Klimawandel lediglich ein weiteres Beispiel für die natürliche Kausalität. Wenn zu viel CO2 in die Atmosphäre gelangt, kommt es zu einer Klimaerwärmung. Wer zu viel Alkohol trinkt, muss sich irgendwann übergeben. Ursache und Folge.
5. Dinos brechen aus und fressen uns
Die Chaostheorie soll irgendwie beweisen, dass Dinosaurier aus unvorhersehbaren Gründen ausbrechen könnten, um die Besucher des Parks aufzufressen. Würde man den gesamten Park automatisieren und ihn in die Hand eines einzigen, geldgierigen Computerspezialisten geben, dann könnte das auch gut passieren. Doch hat der Glaube an die Automatisierung, die man auch in der aktuellen Sicherheitsdebatte antreffen kann (automatische Gesichtserfassung an Flughäfen, biometrische Ausweise), nichts mit Wissenschaft und kritischem Denken zu tun. Im Gegenteil ist das ein sehr primitiver Technologieglaube.
Es sind wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Systeme mit automatischer Gesichtserfassung eine hohe Fehlerquote aufweisen und dass biometrische Ausweise ebenso gefälscht werden können wie normale Ausweise. Die Herrschaft über eine ganze Insel in den Händen eines einzigen Hackers – das ist nur die Extremform einer irrationalen Technologiegläubigkeit. Viel mehr Sicherheitsvorkehrungen und viel mehr menschliches Personal wären nötig, um Jurassic Park zu kontrollieren. Aber dann gäbe es auch keine derartigen Probleme. Selbst wenn ein Dinosaurier ausbrechen könnte, wäre er sehr schnell betäubt und zurück im Käfig.
Die Chaostheorie besagt, jedenfalls in der populären Auslegung, dass kleine Ursachen große, unvorhersehbare Folgen haben können. Das heißt aber nicht, dass so etwas auch ständig überall eintreten müsste. Man kann durchaus die Wahrscheinlichkeit für Unfälle signifikant reduzieren. Sonst wären Autoscheinwerfer überflüssig.