Presseschau | 01.05.2010
Sind 50% aller Menschen geisteskrank, oder gilt das nur für Psychiater, die so etwas behaupten? Außerdem: Kreationistische Indoktrination, Dschihad-Schulbücher aus den USA, Märchenstunde mit al-Qaida, Sex mit Kindern ab 12 Jahren im Vatikan erlaubt, Templeton kauft die freie Forschung und charismatische Priester hypnotisieren ihre Anhänger. Außerdem: Medien berichten weiterhin über wertlose Studien.
Der Biologe Jerry Coyne hat wieder eine sehr umfangreiche Rezension geschrieben. Diesmal trifft es das aktuelle Buch von Richard Dawkins, „The Greatest Show on Earth“, sowie, auf der Gegenseite, „What Darwin Got Wrong“, vom Philosophenduett Jerry Fodor und Massimo Piattelli-Palmarini.
Wer sich für eine detaillierte Widerlegung der aktuellen (und außerfachlichen) Kritik an der natürlichen Selektion interessiert, ist bei Coyne gut aufgehoben.
Templeton kauft die Wissenschaft
Die wohlhabende Templeton-Stiftung bestimmt weiterhin Forschungstrends. Zum Beispiel finanziert sie Bücher von Wissenschaftlern, die behaupten, dass der Glaube in der Natur des Menschen liege. Darunter „The Faith Instinct. How Religion Evolved and Why It Endures“ von Nicholas Wade, das Ophelia Benson in der aktuellen Ausgabe von „Free Inquiry“ rezensiert. Der Autor des Buches bringt es darin fertig, sich für eine Theokratie auszusprechen: „Wenn Religion noch immer wertvolle Rollen zu spielen hat, wie können religiöse Führer dann ihre Fundamente vor der Erosion durch die aufsteigenden Wellen des Säkularismus beschützen?“. Säkularismus bedeutet Trennung von Kirche und Staat, nicht die Zerstörung der Religion, wie Benson anmerkt.
Wade singt dasselbe Lied wie der deutsche Religionsforscher Michael Blume, der ebenfalls von Templeton Gelder erhält: Religion sei vorteilhaft für die Gesellschaft und genetisch veranlagt. Religion fördere die „soziale Kohäsion“ (Uniformität) und die Furcht vor einem allmächtigen Überwacher führe dazu, dass sich die Menschen an die Regeln der jeweiligen Gruppe hielten. Natürlich ist die Idee, dass man einen allmächtigen Tyrannen bräuchte, um die tumbe Masse in Schach zu halten, Faschismus pur, aber wenigstens bekommt Wade eine schöne Stange Geld, um so eine „Theorie“ zu verteidigen. Noch eine gute Portion zynischer ist es, wenn Wade impliziert, dass wir alleine darum an den Diktator im Himmel glauben sollen, damit wir uns benehmen – egal, ob er auch existiert oder nicht.
Natürlich darf die „hohe Kriegsmoral“ religiöser Gruppen nicht fehlen. Angeblich beschere ihnen diese mehr überlebende Kinder. Gewiss könnte ebensogut das Gegenteil der Fall sein, wenn sich religiöse Gruppierungen wie im 30-jährigen Krieg gegenseitig ermorden und ein Fünftel der europäischen Bevölkerung auslöschen. Aber Widersprüche stören Wade reichlich wenig: „Die letzten Kapitel des Buches kollabieren ständig in diese unwiderlegbare, Ad-Hoc-Art von Behauptung, bei der alles seine Thesen stützt: Die Abwesenheit von Religion, die Präsenz von Religion, alles.“ Die ganze Rezension von Benson sei empfohlen, wie auch ein Abonnement von „Free Inquiry“.