Intelligenzforschung | 16.12.2011

Problemfall Intelligenzforschung

Darwin-Jahr Bild

Intelligenztests erfreuen sich einer ungeheuren Beliebtheit. Man kann nicht nur überall im Internet einen entsprechenden Schnelltest machen, sie sind auch bei Firmen und bei Bildungsträgern ein beliebtes Instrument. Gerade in den USA sind sie die Tests allgegenwärtig und ernähren praktisch eine ganze Industrie. Intelligenztests gelten als aussagekräftig und unbestechlich, doch tatsächlich ist diese Methode menschliche Intelligenz zu messen nicht unproblematisch.

 

Was ist Intelligenz und wie soll man diese messen?

Hochproblematisch an den Intelligenztests ist bereits die Definitionsfrage. Was ist denn eigentlich Intelligenz? Die meisten Menschen haben von dem was Intelligenz ist nur eine vage Vorstellung. Bis heute gibt es in der Wissenschaft keine allgemein akzeptierte Definition, so existieren in der Psychologie verschiedene Intelligenzmodelle, die nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichbar sind. Üblicherweise wird jedoch davon ausgegangen, dass Intelligenz die Fähigkeit ist, sich auf neue Anforderungen anzupassen. Mit den üblichen Tests wird somit in erster Linie versucht zu messen, wie gut die Chancen eines Individuums sind in der Gesellschaft beruflichen und schulischen Erfolg zu haben. Ein solcher Test bildet jedoch folglich auch nur ein unzureichendes Bild menschlicher Begabungen ab. Intelligenz ist dann nur das, was der Test auch misst. Es ist durchaus verständlich, dass etwa der Biologe Stephen Jay Gould im Zusammenhang mit Intelligenztests von einer wahllosen Zusammenstellung kognitiver Fähigkeiten sprach und sich folglich vehement gegen die Intelligenzforschung aussprach.

Hohe Fehleranfälligkeit

Kritisch zu bewerten ist bei Intelligenztest in jedem Fall deren hohe Fehleranfälligkeit. So wurde etwa beim Stanford-Binet Test festgestellt, dass er die Ergebnisse von Kindern der Unterschicht systematisch verzerrt wiedergibt. Aber auch bei anderen Testvarianten lässt sich eine solche Benachteiligung feststellen, was den Soziologen Pierre Bourdieu dazu veranlasste, von „Klassenrassismus“ zu sprechen. Ein weiteres großes Problem bei den Tests ist die Möglichkeit der Verzerrung durch die unterschiedliche Motivation, die die Probanden an den Tag legen. Wer motiviert an einen solchen Test herangeht oder von seinen Eltern entsprechen „motiviert“ wurde, erzielt damit ein besseres Testergebnis als jemand, der letztlich lustlos die ihm vorgesetzten Fragen beantwortet. Doch wird eine solche Verzerrung nur sehr selten versucht auszuschließen.  Auch kann regelmäßiges Üben das Ergebnis positiv verfälschen. Ein schönes Beispiel dafür wie sehr ein Test daneben liegen kann ist das von Richard Feynman. Feynmans IQ wurde mit 124 gemessen. Damit lag er zu seiner Zeit unter den Durchschnitt der Physik Studenten, was ihn aber nicht daran hinderte, 1965 den Nobelpreis für Physik zu bekommen.

Kulturübergreifende Tests?

Richtig problematisch wird es nun, wenn versucht wird Intelligenztests kulturübergreifend anzuwenden, um etwa Länderrankings durchzuführen. Um sich das Problem eines solchen Tests zu verdeutlichen, macht es Sinn sich zu fragen, wie ein solcher Intelligenztest aussehen müsste, wenn man tatsächlich kulturell übergreifende Aussagen treffen wollte? Zunächst einmal müsste sichergestellt werden, dass das Erhebungsinstrument selbst, also der eigentliche Test, tatsächlich auch kulturunabhängig funktioniert. Bereits hier gibt es berichtigte Zweifel, ob das überhaupt möglich ist. Beeinflusst doch die Herkunft des Forschers bereits unbewusst das Testdesign. Aber gehen wir einfach mal davon aus, es würde tatsächlich ein solcher Test existieren. Dann gäbe es immer noch erhebliche Probleme eine Vergleichbarkeit sicherzustellen. So wäre es etwa unabdingbar, dass die Auswahl der Versuchsteilnehmer überall vergleichbar ist. Im Idealfall würde das bedeuten, dass zum Beispiel die Geschlechterverteilung, die Altersstruktur, die Sozialstruktur, die ökonomischen Verhältnisse und die durchlaufenen Bildungseinrichtungen vergleichbar sein müssten. Angesichts der weltweiten Unterschiede ist dies ein nahezu unlösbares Problem. Weiterhin müsste dann noch sichergestellt werden, dass in jeder der Vergleichsgruppe mindestens 1000 Personen den Test machen. Denn erst dann lassen sich auch repräsentative Schlüsse auf die Gesamtbevölkerung ziehen. Außerdem müsste unabdingbar ausgeschlossen sein, dass Motivationsunterschiede die Ergebnisse verfälschen. Es ließen sich noch einige weitere Punkte auflisten, die erfüllt sein müssten. Aber bereits an der bisherigen Darstellung sollte klar geworden sein, dass ein solches Forschungsdesign schlicht nicht zu realisieren ist. Forschungen, die scheinbar belegt haben, dass es Intelligenzunterschiede zwischen verschiedenen Kulturen gibt, sollte man also mit entsprechender Vorsicht begegnen. Die viel zitierte Studie IQ and the Wealth of Nations von Richard Lynn etwa weist derart gravierende methodische Mängel auf, dass die Frage nach einer möglichen rassistischen Motivation des Forschers berechtigt ist.

Trotz der geschilderten Schwierigkeiten sollte man allerdings Intelligenztest nicht per se als unnütz abtun. Sie haben in eingeschränktem Rahmen durchaus ihre Berechtigung, etwa, wenn es darum geht, Hochbegabung zu erkennen oder einen passendem Mitarbeiter für seine Firma zu finden.

Frank Welker