Forschung | 10.01.2013

Permafrostblumen

Darwin-Jahr Bild

Lebende Eisblumen gelang es dem Forscherduo Svetlana Yashina und Stanislav Gubin in Pushchino bei Moskau zu züchten. Aus dem Embryonalgewebe 30.000 Jahre alter, vom zunehmend dahinschmelzenden Permafrost in Sibirien freigegebener Früchte der Silene stenophylla, einer Leimkrautart, zogen sie Setzlinge, bestäubten sie anschließend und gewannen so eine neue Pflanzengeneration aus dem uralten Zellmaterial.

Bei uns sind die an sonnigen Wegrainen wachsenden Verwandten der Silene stenophylla heute als eine Gattung der Nelkengewächse bekannt, etwa die Lichtnelke. Die im Labor entsprungenen Pflanzen wiesen eindeutig Unterschiede gegenüber der Variante der heute noch in Sibirien wachsenden anspruchslosen kleinen Sommerblüher auf. Die Pflanzen entwickeln zunächst nur weibliche Blüten, bevor sie sich zu der uns heute bekannten zweigeschlechtlichen Variante auswachsen.

Alles scheint nun ein Stückchen möglicher, nicht nur der Traum aus Mammutknochen auf ähnliche Weise wieder Mammuts zu züchten, eine Mammut-Dolly. Sind wir in eine Zeitschleife geraten? Aus in der Vergangenheit verschwundenem kann zukünftiges Leben in alter Gestalt entstehen. Silenen nannte man in der griechischen Mythologie zweibeinige Mischwesen aus Pferden und Menschen, Nachkommen der Nymphen und Silenos, eines pferdeschwänzigen und behuften Dämons im Gefolge des Dionysos. Die weißen Blüten der anmutigen Silene stenophylla können wir fortan der Paläontologie allein nicht mehr zuordnen. Haben wir uns an Nandus in Schleswig-Holstein, Spatzen in der Neuen Welt als Zuwanderer schon gewöhnt und wissen um Wasserhyazinthen aus Japan an den Flussmündungen der großen Ströme Lateinamerikas, so können wir uns nun auch pflanzliche und, wer weiß, vielleicht auch tierische Migranten aus der Vergangenheit vorstellen, die einmal in der Zukunft auf unseren Zierrasen der städtischen Parks Einzug halten könnten.

von unserer Autorin Simone Guski

Copyright Bild: Frank Welker