Rezension | 06.04.2012

Paläopower

Darwin-Jahr Bild

Die studierte und promovierte Biologin Sabine Paul hatte zuletzt mit dem Darwin Code in Zusammenarbeit mit dem Evolutionsbiologen Thomas Junker zum Darwin Jahr 2009 einen der spannendsten Beiträge zu dessen Jubeljahr verfasst. Auch mit ihrem neuen Buch bleibt Paul Darwin und der Evolution treu und widmet sich primär der evolutionären Grundlage unserer Ernährung. Die Fragen, die Paul dabei aufwirft, sind überaus spannend. Warum etwa ist es sich schwer sich, gesund zu ernähren. Warum schaffen, wir es nicht Ernährungsempfehlungen einzuhalten und wie könnten Lösungsmöglichkeiten aussehen?

Die Antworten, welche die Autorin bietet, sind wissenschaftlich fundiert und dennoch für Laien nachvollziehbar. Paul beginnt zunächst im ersten Kapitel damit, einigen Zivilisationskrankheiten auf den Grund zu gehen. Pointiert kommt sie dabei zu dem Schluss, dass die Menschen 99% ihrer bisherigen Existenz als Jäger und Sammler verbrachten und wir entsprechend aktiv waren. Doch unsere heutige Welt sieht anders aus, Bewegung ist Mangelware und die Probleme damit vorprogrammiert. Diesen Ansatz vertieft Paul dann noch in den nächsten Kapiteln. Konkret geht sie den Ursachen von Problemen wie Übergewicht, Allergien, ADHS und Burnout auf wissenschaftlicher Basis auf den Grund. Sehr plausibel etwa erläutert sie, dass ADHS letztlich doch nur ein Scheinriese ist, dem man zum Teil mit einer passenden Ernährung, Bewegung und Interaktion mit der Natur beikommen kann. Ebenso macht sie deutlich klar, dass die moderne Arbeits- und Umwelt nicht so recht zu unseren Bedürfnissen als „Jäger und Sammler“ passt. So ist unser Körper nicht dazu da, dass wir stundenlang auf Stühlen sitzen, ebenso sind wir nicht darauf programmiert, Nachtschichten schieben zu müssen. Noch weniger sind wir gar in der Lage alles gleichzeitig machen zu können, was die moderne Medienkommunikation aber mitunter erfordert. Eine erhöhte Fehlerquote ist hier die unmittelbare Folge. Ein Umdenken in diesem Bereich wäre also dringend angebracht.

Das Buch liefert vor allem aber spannende neue Lösungsansätze, die zu überzeugen wissen. So zeigt sie, wie man das Wissen der Evolution für eine genussvolle und dennoch gesunde Ernährung nutzen kann. In Bezug auf Übergewicht etwa empfiehlt es sich laut Paul, seine Ernährung auf eine individualisierte Jäger-und Sammlerernährung umzustellen und diese dann individualisiert anzupassen. Mit den pauschalen Ernährungsempfehlungen vieler „Experten“, die für mehr ballaststoffreiches Getreide oder Milch plädieren, hat das freilich nichts zu tun. Gegen diese fährt die Autorin  schwere Geschütze auf, denn solche Empfehlungen würden sogar an „mutwillige Körperverletzung“ grenzen, da längst bekannt ist, dass viele Menschen allergisch auf Milch und viele Getreidesorten reagieren. Auch warnt sie vor dem Konsum minderwertiger Lebensmittel. Gerade die vielen Fertigprodukte aus dem Supermarkt machen hier wohl vielen Menschen Probleme. Daher ist hier Klasse statt Masse die Devise und schließlich muss Essen ja  noch Freude machen und das fängt für Paul eben schon bei der Zubereitung an.

Fazit: Sabine Paul ist es gelungen, ein bislang wohl einmaliges Buch über Ernährung vorzulegen. So konsequent hat bisher wohl noch niemand evolutionäre Erkenntnisse dazu genutzt, um moderne Wohlstands-Erkrankungen fundiert zu erklären. Darüber hinaus können die vorgeschlagenen Lösungsstrategien überzeugen und laden zum Ausprobieren ein.

Eine Buchbesprechung von Frank Welker zum Buch von Sabine Paul: Paläopower. Das Wissen der Evolution nutzen für Gesundheit, Ernährung und Genuss", Beck sche Reihe 2012

Das Buch hat auch eine eigene Website mit weiteren Informationen.