Presseschau | 06.10.2010

Denn sie wissen nicht, was sie glauben
Laut einer US-amerikanischen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Pew wissen Gläubige in den USA nicht viel darüber, was sie und andere glauben. Atheisten und Agnostiker wissen besser über die Glaubensinhalte der Weltreligionen Bescheid als alle anderen. Natürlich bedeutet das auch, dass die meisten Gläubigen nicht wirklich glauben, was sie offiziell glauben sollten.
54% der Protestanten wissen nicht, dass Martin Luther die Reformation begonnen hat. 45% der Katholiken wissen nicht, dass sich Hostien laut Kirchenlehre wirklich in Körper und Blut von Jesus Christus verwandeln sollen und diese nicht nur symbolisieren. Nicht einmal die Hälfte der Amerikaner weiß, dass der Dalai Lama ein Buddhist ist. Dass der Koran das heilige Buch der Muslime ist, wissen nur 54%. Ganze 48% der amerikanischen Gläubigen sagen, dass sie selten oder nie ein Buch (außer ihrem heiligen Text) über ihre eigene Religion lesen oder eine Webseite darüber. 70% der US-Gläubigen lesen selten oder nie ein Buch oder eine Webseite über andere Religionen.
Der atheistische Philosoph Daniel Dennett hat über die Ergebnisse geschrieben: „Je mehr du über Religionen weißt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du an religiöse Glaubensinhalte und Mythen glaubst und mit desto höherer Wahrscheinlichkeit bist du ein Atheist oder Agnostiker, ob du nun offiziell einer Kirche angehörst, sogar Kleriker dort bist, oder nicht.“
Widerruf der Religion-Virus-Hypothese – wie Michael Blume Atheisten bekehrt
Der Religionswissenschaftler Michael Blume ist viel unterwegs, um die Fachwelt von seinem Glauben zu überzeugen, dass Religiosität eine Adaption sei. Die generelle Tendenz geht in die andere Richtung und die Nebenprodukt-Hypothese setzt sich seit Pascal Boyers Buch „Religion Explained“ immer mehr durch. Richard Dawkins ist inzwischen auch ein Mitglied des Nebenprodukt-Clans geworden.
Eine Ausnahme von der Regel ist allerdings Susan Blackmore, die bekannt geworden ist durch ihre Popularisierung der Memetik. Kaum zu glauben, dass Blackmore wirklich, wie sie in einem Artikel schreibt, durch einen Vortrag von Blume selbst überzeugt worden ist. Mit dem „Religion macht Kinder“-Schmus hat sie gleich das ganze Paket eingekauft: Sie glaubt jetzt, dass Religion glücklicher macht, gesünder macht, dass Gläubige großzügiger sind, weniger betrügen und mehr kooperieren. Alles höchst umstritten. Und dabei war Bruce Hood auch ein Sprecher bei der Konferenz, die zu Blackmores Bekehrung führte. Vielleicht hat sie da gerade geschlafen.
Blume gehört zum Forschernetzwerk Evolutionary Religious Studies. Und das wird finanziert von der Templeton-Stiftung, deren Hauptziel darin besteht, Religion gut aussehen zu lassen. Das kommt eben davon, wenn man seine Meinung wegen einer einzigen Konferenz grundlegend verändert. Man kann sich die Recherche über die Hintergründe ersparen und einfach bequem übernehmen, was da so gepredigt wird. 2010 hat Blume einen Preis von der Evangelischen Akademie Villigst für Nachwuchswissenschaftler für seine „Vermittlungen“ bekommen. Wenn sogar engagierte Atheisten auf seinen Quark hereinfallen, dann hat er den auch verdient. Herzlichen Glückwunsch.