Presseschau | 17.09.2009

Mutationen und neue Arten

 

Wissenschaft und Glaube

Nun hat sich auf die Humboldt-Stiftung mit dem Verhältnis von Religion und Wissenschaft befasst. Ergebnis: Die Überschriften der Einzelartikel suggerieren, dass Glaube und Wissenschaft vereinbar sind: „Forschung und Glaube sind kein Widerspruch in sich“, „Forschung – eine Frage des Glaubens“, „Über den fehlerhaften Glauben an Objektivität“ und „Was du glaubst, ist wahr, sogar wenn du es nicht beweisen kannst?“.

Liest man die Texte selbst, gelangt man allerdings zum gegenteiligen Ergebnis, wann immer sie nicht – wie „Forschung und Glaube sind kein Widerspruch in sich“ – von Theologen geschrieben wurden. Echte Wissenschaftler sind eben tendenziell der Meinung, dass Glaube und Wissenschaft unvereinbar sind.

Zum Beispiel Georg Scholl, Autor von „Forschung – eine Frage des Glaubens“. Er erklärt, warum Wissenschaftler nicht an Wunder glauben und warum für sie letzten Endes Belege zählen und nicht der Glaube. Gleichzeitig berichtet er über einige Ansätze in der aktuellen Religionsforschung und stellt fest: „Seit Darwin und dem Siegeszug der Wissenschaft hat der Anspruch auf absolute Wahrheiten von Seiten religiöser Dogmatik stets abgenommen. Irgendwann werden die Leute fragen, ob es überhaupt einen Gott gibt, wenn alles ohne ihn erklärt werden kann.“

In dem Artikel „Über den fehlerhaften Glauben an Objektivität“ geht es nicht um die Naturwissenschaften, sondern um Objektivität in der Literaturwissenschaft. Selbst dort widerspreche ich dem Autor deutlich. Wenn er meint, Literaturwissenschaft wäre beinahe rein subjektiv, ist das sein Problem, mit der Realität hat das nichts zu tun. Wenn jemand beispielsweise behauptet, es gehe Bert Brecht um Kunst zum Selbstzweck (l'art pour l'art), wird er in praktisch keiner Universität eine gute Wertung für sich verbuchen, weil sich diese These nicht belegen lässt. Und zwar objektiv.

„Was du glaubst, ist wahr, selbst wenn du es nicht beweisen kannst“ ist schließlich keine Feststellung, sondern eine Frage, welche die Redaktion von „Humboldt Kosmos“ an Wissenschaftler gerichtet hat. Weder die befragten Natur-, noch die befragten Geisteswissenschaftler sind der Meinung, dass etwas wahr ist, selbst, wenn man es nicht beweisen kann (besser ausgedrückt: Wenn es keinerlei empirische Belege dafür gibt, dass es wahr ist, noch keine logischen Gründe, davon auszugehen). Im Gegenteil sind sie so perplex von der Frage, dass sie sie nicht einmal verstehen und stattdessen über Intuition sprechen, über den Glauben an empirische Daten oder von Wahrheit in der Ethik. Kein Mensch glaubt in der Forschung, dass der Glaube an ewige, religiöse Wahrheiten irgendeinen Wert hat. Diese Idee ist Wissenschaftlern so fremd, dass sie nicht einmal die Frage verstehen, ob sie das glauben.

Daraus könnte man folgern, dass diese ewigen Anbiederungen an die Religion, wie auch hier durch missverständliche Überschriften und Artikel von Nicht-Wissenschaftlern (Theologen), im Grunde keinerlei Daseinsberechtigung haben. Wissenschaft und Glaube sind nicht vereinbar und es ist Hochstapelei, Irreführung der Leser und Verrat an der wissenschaftlichen Methode, wenn wissenschaftliche Zeitschriften wie „Nature“ und „Humboldt Cosmos“ etwas anderes suggerieren.

 

AM