Presseschau | 22.01.2010

Die Menge ist schlecht

 

Was wir begehren, scheint uns näher zu sein

Eine neue Studie hat aufgezeigt, dass wir die Entfernung von Objekten, die wir haben wollen, optimistischer einschätzen: Sie scheinen uns räumlich näher zu sein als andere Objekte.

 

Ethisches Dilemma

Diesmal wird es interaktiv: Lösen Sie auf feuerbringer.com ein ethisches Dilemma über ein Tabu-Thema. Die bisherigen Antworten sind sehr aufschlussreich. Ethische Dilemmata werden in der Psychologie unter anderem benutzt, um die evolutionär entstandene Basismoral des Menschen herauszufiltern, die „natürliche Moral“, wenn man so will.

 

Die Massen handeln idiotisch und dumm

Nach allerlei Wertschätzungen der kollektiven Intelligenz gibt es wieder einen Beitrag, der sie pessimistischer beurteilt. „Die Menge ist schlecht“, wusste schon Goethe. Siehe das Fernsehprogramm und die Charts. Hier zwei weitere Redewendungen zum Thema: „Weniger ist oft mehr“ und „Viele Köche verderben den Brei“. Andererseits sind Volksweisheiten ebenfalls ein Massenphänomen...

 

Massen-Anstiftung zum Suizid

Das Phänomen des „Suicide Baiting“ haben sich die deutschen Metaller namens „Rammstein“ in einem Lied vorgenommen. Leider ist es aber keineswegs fiktiv oder auch nur selten (wenn man bedenkt, dass es prinzipiell selten vorkommt, dass eine Gruppe an Zuschauern einem potenziellen Selbstmörder gegenübersteht). Es handelt sich um die Anstiftung zum Suizid durch eine größere Menge an Zuschauern. Zum Beispiel, wenn sie einem potenziellen Selbstmörder von unten zurufen, dass er von der Brücke springen soll.

In einer Studie zum Thema wurde festgestellt, dass in der Hälfte der Fälle (!), wenn sich ein Mensch von einem Gebäude in den Tod stürzen will, ihn das unten stehende Publikum noch zusätzlich dazu anstiftet. Offenbar hängt das mit der Dichte und Wärme, also wohl mit dem Frustrationsgrad der Menge zusammen. Psychologen sprechen vom Prozess der „Deindividuation“, der Auflösung des Individuums in der Masse. Menschen neigen dazu, die Verantwortung für ihre Taten an die Gruppe abzugeben, in der sie agieren. Dies hat auch das berüchtigte „Standford Prison Experiment“ gezeigt, in denen Studenten in die Rollen von Gefängniswärtern und Häftlingen gesteckt wurden. Innerhalb von Tagen eskalierte das Experiment, weil die „Wärter“ die Häftlinge quälten. Dieses Phänomen spielte auch im Nazi-Regime eine große Rolle. Individuelle Nazis haben die Verantwortung für ihre Verbrechen auf ihren Vorgesetzten oder die Gruppe übertragen. Masse führt offenbar leicht zur Entmenschlichung.

 

Ende der Willensfreiheit

Zumindest ist es das Ende der Debatte über die Willensfreiheit zwischen dem Philosophen Michael Schmidt-Salomon und Andreas Müller. Im dritten Teil seiner Replik erklärt MSS, warum ich ein Zombie, ein Behaviorist, ein Android ohne Emotions-Chip und der Vulkanier „Spock“ aus Star Trek bin. Außerdem verteidigt er ein Konzept, das er „Makrodetermination“ nennt und laut dem Kultur und Biologie eine kausale Wirkung auf die unteren Ebenen (Chemie, Physik) ausüben. Die Debatte haben wir im hpd-Forum fortgesetzt. Darin erkläre ich, warum ich keine Zombie-Psychologie vertrete, den Behaviorismus ablehne, sehr wohl über Emotionen verfüge, Makrodetermination bezweifle und ein Humanoid vom Planeten Erde bin. Und jetzt haben wir beide keine Lust mehr.