Rezension | 02.12.2012

Der kultivierte Affe

Hans Werner Ingensiep ist Biologe und Philosoph und lehrt an der Universität Duisburg-Essen. In seinem neuen Buch Der kultivierte Affe widmet er sich der nächsten Verwandtschaft des Menschen: dem Affen. Ingensieps Werk ist allerdings kein übliches Tierbuch, sondern der Inhalt ist eher philosophischer Natur. So beginnt der Autor damit darzustellen, wie Aristoteles und die alten Griechen unseren nächsten Verwandten den Affen gegenüberstanden. Dem folgt eine umfassende Darstellung des Bildes vom Affen im Mittelalter und der Renaissance. 

Spannend wir es dann mit der Periode der Aufklärung. So erfahren wir, dass es der bekannte schwedische Naturforscher Carl von Linné war, der bereits im 18. Jahrhundert den Homo sapiens zu den Primaten zählte. Somit wurde Affe und Mensch als menschengestaltig zusammen in einer Gruppe klassifiziert. Ebenfalls keine Probleme mit der Nähe des Affen zum Menschen hatte der französische Philosoph Offray de La Mettrie. Er ordnete den Affen in sein materialistisches Konzept ein. Mensch und Affe quasi gemeinsam als Maschinen. Im 18. Jahrhundert folgte dann eine Humanisierung des Affen. Philosophen wie Rousseau und Schopenhauer widmeten ihnen wohlwollende Zeilen. 

Doch dieser Epoche der Humanisierung folgte ausgerechnet nach der Entdeckung der Evolution durch Charles Darwin eine Phase der Dämonisierung von Menschenaffen. Durch die Kolonialherren gelangten schaurige Berichte etwa über Gorillas nach Europa und diese Schauermärchen wurden nur zu gerne weitergegeben. Glücklicherweise änderte sich dieses Bild jedoch wieder als Anfang des 20. Jahrhunderts die Forschungsergebnisse des Biologen Wolfgang Köhlers belegten, dass Menschenaffen über ein hohes Maß an Intelligenz verfügen. 

Im Laufe des letzten Jahrhunderts wurde dann immer klarer, dass Mensch und Menschenaffe nicht nur äußerliche Gemeinsamkeiten haben. Affen lernten die Taubstummensprache, lösten schwierige Versuchsaufgaben und es wurde belegt, dass sie über eine eigene Persönlichkeit verfügen. 

Fazit: Ingensieps Buch ist eine wertvolle Arbeit, die einen breiten Bogen spannt, vom Bild des Affen in der Antike bis zu unserem heutigen Bild unserer nächsten Verwandtschaft. Das gut lesbare und reichlich bebilderte Buch lädt dazu ein, sich mit der Materie näher zu beschäftigen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, dass die Wissenschaft das Bild des Affen im Laufe der Zeit gewandelt hat und immer klarer wurde, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier eher marginal sind. 

Eine Buchbesprechung von Frank Welker