Neues aus dem Kreationisten-Urwald | 27.01.2009

Kreationist will Evoluzzer ins KZ stecken

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Was man zunächst für eine geschmacklose Satire hält, entpuppt sich als ernstgemeinter Vorschlag: Ein einflussreicher amerikanischer Kreationist möchte Anhänger der Evolutionstheorie am liebsten foltern lassen und sie in ein Arbeitslager stecken.

Eine Satire kritisiert gesellschaftliche Missstände auf humorvolle Weise. In seinem Essay A Modest Proposal von 1729 schlägt Jonathan Swift (Gullivers Reisen) zum Beispiel vor, dass die verarmten Iren ihre Kinder den reichen Engländern verkaufen sollen. Die Iren könnten sich vom Erlös Brot besorgen und die Engländer würden die irischen Kinder als Delikatesse verzehren. Der Essay löste zu seiner Zeit große Empörung aus, weil Swift ihn so verfasste, als wäre der Vorschlag ernst gemeint, um auf die zynische Ausbeutung der Iren durch die Engländer aufmerksam zu machen.

So erscheint der Essay Should Evolutionists be Allowed to Roam Free in the Land („Sollte man Anhänger der Evolutionstheorie im Lande frei herumlaufen lassen?“) von Tom Willis, einem einflussreichen Mitglied der Creation Science Association for Mid-America, der auch in der Politik des Bundesstaates Kansas aktiv ist, zunächst wie eine (qualitativ minderwertige) Satire. Man geht davon aus, dass kreationistische Verschwörungstheorien auf die Schippe genommen werden sollen. Tatsächlich wird nach Lektüre weiterer Essays und anhand seiner politischen Arbeit deutlich, dass der Kreationist Tom Willis seinen Vorschlag vollkommen ernst meint.

Zum Beispiel sagt er in dem Essay: „Evolutionisten haben in den letzten 90 Jahren mehr Leid verursacht und mehr Menschen getötet und gefoltert als es in den Kriegen der letzten 2000 Jahre geschehen ist“, was einzig Willis Fantasie entspringt. Angeblich wollen „Evolutionisten“ außerdem Christen „eliminieren“. Der Begriff „Evolutionisten“ soll darauf hinweisen, dass die Evolutionstheorie eigentlich ein „-ismus“ sei, also eine Ideologie oder Religion, wie der Nationalsozialismus.

Doch freut euch, ihr Bibelgläubigen, denn Tom Willis hat eine Lösung parat (direkt übersetzt aus seinem Essay):

  • „Arbeitslager. Ihre Mitgläubigen standen auf die [Anm.: Kreationisten machen tendenziell Evolutionsanhänger für Nazis und Holocaust verantwortlich]. Aber meine Position wäre, dass die meisten von ihnen ihr Leben auf Kosten der Öffentlichkeit gelebt haben. Also sollte, ihrem eigenen Glauben nach, ihr Leben nur so lange weitergehen, wie sie sich selbst in den Lagern versorgen können [Anm.: Viele Kreationisten halten Evolutionsanhänger für Sozialdarwinisten].

  • Verlange von ihnen, dass sie Plakate um ihren Hals tragen, oder vielleicht große Schaumünzen, die gut sichtbar bekannt geben: „Warnung: Evolutionist! Geistig behindert – Potenziell gefährlich.“ Ich halte diese Option für zu riskant.

  • Da Evolutionisten Lügner sind und weil die meisten gar nicht wirklich an die Evolution glauben, könnten wir ihnen Wahrheitsserum einflößen oder Water-Boarding anwenden, um ihnen die Beichte zu entlocken, dass sie die Evolution ablehnen. Aber dies sollte bestenfalls eine bedingte Strafaussetzung zur Folge haben, da ihnen, wie den Muslimen, ihre Evolutionistenreligion erlaubt zu lügen, wenn sie einen Vorteil davon tragen. [Anm: Hier wird das totalitäre Element des Kreationismus deutlich, der von seiner eigenen „Wahrheit“ felsenfest überzeugt ist und sie mit allen Mitteln durchsetzt].

  • Eine Evolutionistenkolonie in der Antarktis könnte eine vielversprechende Lösung darstellen. Natürlich würden Inspektionen zu viel Fortschritt verhindern. Sie könnten Schießpulver erfinden. Eine Marskolonie würde dazu führen, dass sie mit dem Schießpulver niemanden außer ihresgleichen verletzen könnten, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich als intelligent genug herausstellen sollten, welches zu erfinden. [Anm.: Hier sehen wir die Unfähigkeit von Bibelgläubigen, Realität und Fiktion auseinanderzuhalten. Ken Ham, Gründer des Schöpfungsmuseums und Präsident von Answers in Genesis, hält zum Beispiel die Geschichte von Beowulf für historisch korrekt und glaubt an die Existenz von Einhörnern].

  • Alle Optionen sollten ein 24-Stunden-Soundsystem beinhalten, das eine Lesung von Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder Die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein durch Richard Dawkins, Christopher Hitchens und Sam Harris [Anm.: die von Fundamentalisten gefürchteten „Neuen Atheisten“] abspielt. Natürlich werden das manche als grausam und ungewöhnlich ansehen, vor allem, weil sie diese Behandlung für alle Ewigkeit erfahren werden.“

Das alles klingt zwar einigermaßen verrückt – der Evolutionsbiologe PZ Myers nennt Tom Willis sogar „absolut wahnsinnig“ – aber es ist eigentlich nicht verrückter als die anderen Inhalte des bibeltreuen Glaubens. Wer glaubt, dass Gott seinen Sohn in eine abgelegene Wüstenregion im mittleren Osten schickt, um ihn von einer antiken Besatzungsmacht hinrichten zu lassen, um so die schlimmste Sünde aller Zeiten – das Essen einer Frucht – zu vergeben, der ist offenbar in der Lage, einfach alles zu glauben.

AM