Astrophysik | 18.02.2009

Kein Wunder, dass wir existieren

Sternentstehungsgebiet LH94 in der Großen Magellanschen Wolke, Foto von NASA, ESA, und dem Hubble Heritage Team

Zwar steht die Evolution im Widerspruch zu den monotheistischen Schöpfergöttern, sie schließt allerdings nicht den deistischen Gott aus, der das Universum erschuf, um die Dinge dann ohne göttliche Interventionen "laufen zu lassen". Diesem widerspricht allerdings die moderne Astrophysik, wie der Physiker Bernd Vowinkel im Folgenden näher ausführt. Dabei geht er vor allem auf die Fragen ein, wie wahrscheinlich die menschliche Existenz ist und ob es außeridisches Leben geben könnte.

 

Definition des anthropischen Prinzips

In den letzten Jahrzehnten wurde die Evolutionstheorie durch die enormen Fortschritte der Naturwissenschaften und hier vor allem der Genetik stark untermauert. Sie wird inzwischen von ernstzunehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht mehr angezweifelt. Auch der Vatikan konnte sich dieses Druckes der Fakten nicht entziehen. Es gibt zwar vom Vatikan keine wirklich klare, eindeutige Anerkennung der Evolutionstheorie, aber es wird jetzt von Seiten der katholischen Theologie zunehmend die Position vertreten, dass die Evolutionstheorie dem katholischen Glauben nicht wirklich widerspricht. So wird der Versuch unternommen, sie in den Glauben zu integrieren – mit dem folgenden Argument: Der Herr hat ganz offensichtlich die Naturgesetze, die Naturkonstanten sowie die besonderen Eigenschaften der Erde und unseres Sonnensystems so geschickt gewählt, dass über die Gesetzmäßigkeiten der Evolution zwangsläufig hier der Mensch entstehen musste. Während der Evolution hat Gott dann nicht mehr eingegriffen. Dieses war aber auch gar nicht mehr nötig. Als wichtigstes Argument für diese Lehre wird angeführt, dass die Wahrscheinlichkeit zur Entstehung intelligenten Lebens von sehr vielen Faktoren abhängt und insgesamt so extrem klein ist, dass sie an ein Wunder grenzt.

Dieser Argumentation setzt das anthropische Prinzip, das erstmals 1973 vom Kosmologen Brandon Carter formuliert wurde, entgegen, dass wir zwangsläufig in einem Universum leben, das für die Entwicklung von intelligentem Leben geeignet sein muss, da es uns andernfalls nicht gäbe. Es gibt mittlerweile verschiedene Formulierungen des anthropischen Prinzips. Versionen, die teleologisch interpretiert werden können, werden vom Standpunkt der Naturwissenschaften als pseudowissenschaftlich eingestuft. So gelten die von Carter erstmals aufgestellten Versionen des allgemeinen und schwachen anthropischen Prinzips als wissenschaftlich, die des starken anthropischen Prinzips als weniger wissenschaftlich, da hier „muss“ steht:

 

Allgemeines anthropisches Prinzip:
Was wir zu beobachten erwarten können, muss eingeschränkt sein durch die Bedingungen, welche für unsere Gegenwart als Beobachter notwendig sind.

Schwaches anthropisches Prinzip:
Wir müssen vorbereitet sein, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass unser Ort im Universum in dem Sinne notwendig privilegiert ist, dass er mit unserer Existenz als Beobachter vereinbar ist.

Starkes anthropische Prinzip:
Das Universum (und deswegen die fundamentalen Parameter, von welchen es abhängt) muss derart sein, dass es die Entstehung von Beobachtern in ihm in manchen Phasen erlaubt.

 

Beim schwachen anthropischen Prinzip werden die Naturgesetze und die Naturkonstanten als gegeben vorausgesetzt und es wird angenommen, dass sie aus uns noch unbekannten Gründen zwangsläufig so sind, wie sie sind. Die Frage konzentriert sich hier mehr darauf, wie wahrscheinlich die Existenz von Planeten ist, auf deren Oberfläche Bedingungen herrschen, die die Entwicklung von intelligentem Leben erlauben. Damit ist dann auch die Frage verbunden, ob es eventuell außerirdisches Leben gibt. Das starke anthropische Prinzip bezieht auch noch die Naturgesetze und die Naturkonstanten mit ein und fragt, wie unser gesamtes Universum beschaffen sein muss, um intelligentes Leben entstehen zu lassen.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass die Feststellung, dass wir zwangsläufig in einer Welt leben, die auch die Voraussetzungen für Leben bereitstellt, eine Trivialität ist. Es bleibt dann aber immer noch die Frage, ob nicht schon die Existenz dieser Voraussetzungen an ein Wunder grenzt. Wir müssen uns also zunächst in Bezug auf das schwache anthropische Prinzip mit der Frage befassen, wie wahrscheinlich die einzelnen Faktoren sind, die auf der Erde die Voraussetzungen zur Entwicklung von intelligentem Leben ergeben haben.