Rezension | 04.10.2012

Jean-Baptiste de Panafieu / Patrick Gries: Evolution

Darwin-Jahr Bild

„Dies ist das ungewöhnlichste Buch über die Evolution, das es je gegeben hat”, so heißt es auf der Rückseite des Bildbandes. Und dies ist keine Übertreibung. Den Autoren ist mit diesem etwa 2,5 Kilogramm schweren Werk etwas gelungen, was nur wenigen vorbehalten ist, die sich mit dem Thema Evolution beschäftigen: die Zusammenführung von wissenschaftlichen Fakten und ästhetischen Bildern. Der habilitierte Naturwissenschaftler und bekannte französische Dokumentarfilmer Jean-Baptiste de Panafieu weist in seinem Vorwort ausdrücklich darauf hin: „Das vorliegende Buch (...) verfolgt einen zweifachen Ansatz: einen sinnlichen und einen intellektuellen.” (S. 9)

 

Das Buch ist in sechs Kapitel eingeteilt und wird durch einen ausführlichen Anhang ergänzt. Dort finden sich, neben einer kurzen Erläuterung zur Systematik und zum phylogenetischen Stammbaum der Wirbeltiere, ein Glossar, eine Kurzbibliografie zum Thema und ein allgemeiner sowie ein zoologischer Index. Alle sechs Kapitel werden mit einer Einleitung bedacht, die als Grundlage für ein tieferes Vordringen in ausgewählte Aspekte genommen werden.
Die Texte bieten einen verständlichen Überblick über die Geschichte der Evolution und die Entwicklung des Lebens aus der Sicht eines anerkannten Wissenschaftlers, der die komplexe und komplizierte Evolutionstheorie zu erklären weiß. Panafieu nutzt die Texte, um die evolutionären Grundprinzipien zu verdeutlichen und verzichtet auf zusätzliche Kästen, Fußnoten oder Definitionen. Es ist dem Buch anzumerken, dass sich der Autor auf dem Gebiet der populären Wissensvermittlung so gut auskennt, dass er einerseits das Wissenschaftliche nie aus den Augen verliert, andererseits zu philosophieren weiß.

Die „Philosophie des Lebens” endet nicht mit den Texten, sie wird von Bildern eingerahmt, die der 1959 in Luxemburg geborene Fotograf Patrick Gries beisteuert. Die Abbildungen, aus verschiedenen französischen Museen stammend, sind im klassischen Schwarz-Weiß-Stil gehalten und verzichten auf unnötige farbliche Effekte. Alle erzählen ihre eigene Geschichte und sind doch zugleich Zeugen des gemeinsamen Ursprungs allen Lebens. Mit beeindruckender Kenntnis und Schärfe reihen sich die Bilder in die Kapitel ein. Kaum ein Bild, das nicht das Interesse weckt, seien es die Skelette eines Menschen und seines Pferdes, auf dem er reitet (S. 13), das Skelett einer fliegenden Ringeltaube (S. 198f.) oder das einer Python (S. 226f.). Den Lesern wird das Gefühl vermittelt, dass man in diese Bilder hinein tauchen kann, als sei man ein Teil dieses evolutionären Prozesses und würde somit einen Blick in die Geschichte unserer gemeinsamen Ursprünge wagen.

Zum Thema Evolution ist in den letzten Monaten jede Menge gesagt und geschrieben worden und man wird das Gefühl nicht los, dass dabei nur wenige Bücher und Namen tatsächlich im Gedächtnis bleiben. Doch sei an dieser Stelle ans Publikum appelliert, sich dieses Buch einmal näher anzuschauen, denn es ist mehr als nur ein Buch über die Evolution, es ist eine Augenweide und ein Blickfang ohnegleichen. Wenngleich dieses Buch mit seinen 58 Euro alles andere als günstig ist, sei es allen ans Herz gelegt, die die Einheit und Vielfalt der Evolution aus einer naturwissenschaftlichen wie bildhaften Perspektive zu betrachten suchen.
Christoph Lammers

Jean-Baptiste de Panafieu / Patrick Gries: Evolution

München 2007. Frederking & Thaler Verlag, 292 Seiten, gebunden, Euro 58.-. ISBN 978-3-89405-694-0