Rezension | 08.03.2011

Homo novus

Darwin-Jahr Bild

In diesem Professor ECKART VOLAND (Gießen) gewidmeten Buch geht es um die „Entzauberung von sechs Illusionen“:
1. dass wir Menschen außergewöhnlich sind
2. dass wir von unseren soziobiologischen Wurzeln unabhängig sind
3. dass der biologische Imperativ für uns nicht gilt
4. dass unsere Vergangenheit nicht in unseren Köpfen widerhallt
5. dass Moral, Kultur und Religion soziale Konstruktionen sind
6. dass wir in dem, was wir wollen, frei sind

Neben den Begründungen für diese verschiedenen Desillusionierungen werden die Konsequenzen aus diesen neuen Erkenntnissen durchdacht. Diesem widmen sich 18 Fachleute aus den Gebieten Biologie, Anthropologie, Neurologie und Psychologie, Politologie, Soziologie, Ethologie und (Bio-)Philosophie und beleuchten es aus ihrer je eigenen Perspektive. Neben wohlbekannten Autoren wie BERNULF KANITSCHEIDER, GERHARD ROTH, WULF SCHIEFENHÖVEL, und GERHARD VOLLMER und finden sich auch jüngere Autoren sowohl als  Herausgeber als auch  mit eigenen innovativen Beiträgen, die insgesamt die oben angesprochenen Themen „abarbeiten“. Ein Abschlusskapitel (ULRICH FREY) fasst noch einmal die verschiedenen Aspekte zusammen, geht aber stellenweise mit etwas zu leichter Hand über bestehende Einwände hinweg.

Etwas ärgerlich ist die Tatsache, dass ein älterer Aufsatz des bedeutenden deutschen Soziobiologen CHRISTOPH VOGEL (1933-1994) ohne jede weitere Erläuterung aufgenommen wurde. Es handelt sich um eine Übersetzung eines unpublizierten Manuskripts, dabei fehlt aber jeder bibliographische Hinweis. Und wenn man von einem 1994, also vor 16 Jahren verstorbenen Autor an der Stelle, wo bei anderen die Adresse notiert ist, ohne weiteren Kommentar nur schreibt „Christian Vogel is deceased“, ist das einfach zu wenig: bei diesem bedeutenden Wissenschaftler wären einige biographische Hinweise auch für jüngere Leser nicht nur hilfreich, sondern notwendig gewesen – zumal es sich um einen sehr eindrucksvollen und stringenten Aufsatz handelt, dessen Übersetzung aber streckenweise etwas holperig daher kommt und der vom Forschungsstand eben nicht an den heutigen Erkenntnissen gemessen werden kann. So ergeben sich durchaus Widersprüche mit den Beiträgen anderer Autoren. So wird in dem Beitrag von JULIA PRADEL und DETELF FETCHENHAUER dem Altruismus eine evolutionäre Grundlage zugeschrieben, dies aber in dem älteren Beitrag abgelehnt.

Insgesamt ein sehr lesenswerter und faktenreicher Band voller anregender Gedanken. Es ist angesichts des breiten Interesses an diesen Fragen, die sicherlich noch nicht alle als vollständig beantwortet gelten können, doch schade, dass alle Beiträge in englischer Sprache verfasst sind – für viele potentielle Leser im deutschen Sprachraum angesichts der komplexen Problematik doch immer noch ein Hindernis.

Eine Besprechung von:
PD. Dr. STEFAN SCHNECKENBURGER, Technische Universität Darmstadt

zum Buch: 

FREY, U., STÖRMER, CH., WILLFÜHR, K.P. (eds.) (2010):
Homo novus – A human without illusions.
Gebunden,  309 S., 10 Fig.
ISBN 978-3-642-12141-8
Berlin, Heidelberg- Springer - Preis: 53,45 €

Auszüge online lesbar unter:
http://www.springerlink.com/content/978-3-642-12141-8#section=757039&page=1