Presseschau | 11.09.2009

Hedonismus-Maschinen und fliegende Mäuse

 

Axel Meyer streitet sich mit Literaturkritiker

Matthias Matussek hat in einem Spiegel-Artikel Evolutionsbiologen als „vulgär“ bezeichnet und selbst hochgebildete Fragen gestellt wie: „Sind wir nur verblödete Hedonismus-Maschinen, oder wollen wir mehr von uns?“. Axel Meyer hat ihn dafür kritisiert. Da mache ich mit.

Zunächst einmal: Wen interessiert es denn, ob wir „mehr von uns“ wollen? Entweder etwas ist wahr, oder es ist nicht wahr! Entweder wir sind „verblödete Hedonismus-Maschinen“ (was immer das sein soll), oder wir sind das nicht! Weiter fragt Matussek: „Ist der Mensch nur ein biologisches Programm oder eine autonome Setzung? Ist er frei oder ferngelenkt?“ Kein Mensch behauptet, dass wir „ferngelenkt“ sind (allenfalls in totalitären Diktaturen sind wir gewissermaßen „ferngelenkt“, da handlungsunfrei). Auch „ist“ der Mensch kein biologisches Programm, sondern er hat eines, das ihn zu einem bestimmten Verhalten prädisponiert, aber ihn nicht absolut dazu zwingt. Wir haben die Fähigkeiten zur Selbstreflektion, Selbstkontrolle und Rationalität – die sich evolutionär entwickelt haben, sonst hätten wir eben nicht!

Schiller ist Matusseks Einschätzung nach näher an jenen, „die an einen göttlichen Funken glauben, sei es die Begabung zur Liebe oder die zur Kunst“. Und Evolutionsbiologen glauben nicht, dass wir die Begabung zur Liebe oder die zur Kunst haben? Dann sind die unzähligen Bücher und Studien zu diesen Themen von Evolutionsbiologen wohl reine Zeitverschwendung.

Dabei war Schillers „Idealismus“, den Matussek so toll findet, sehr rational, zum Beispiel hat er in seinem Gedicht „Resignation: Eine Fantasie“ dem Glauben an ein Jenseits abgeschworen und jede Sekunde bedauert, die er mit Theologie verschwendet hat. Darin nennt Schiller den Glauben an ein Nachleben „Ein Lügenbild lebendiger Gestalten“ und bedauert vorwurfsvoll „All meine Freuden hab ich dir geschlachtet“. Schließlich empfiehlt er: „Genieße, wer nicht glauben kann“ (man erinnere sich an Matusseks „verblödete Hedonismus-Maschinen“). Schillers Fazit: „Was man von der Minute ausgeschlagen, Gibt keine Ewigkeit zurück.“

Außerdem ist die Evolutionsbiologie nicht nur Naturwissenschaft, sondern auch Kultur und wurde in der Kunst (etwa Max Ernst und Alfred Kubin) und in der Literatur (man denke an Conrads „Herz der Finsternis“ oder die Bücher von H.G. Wells) großzügig rezipiert. Um diese Werke zu verstehen, muss man erst einmal eine Ahnung von der Theorie haben. Dabei hilft es nicht, geistig im 18. Jahrhundert bei den Weimarer Klassikern zu versumpfen – und sie dabei nicht einmal zu kennen.

Es ist eine Schande, dass kulturlose Crétins immer wieder den guten Namen der Geisteswissenschaften in den Dreck ziehen müssen.