Wissenschaft und Religion | 17.03.2009

Der halbierte Darwin

 

Fazit

In einem Leitartikel für „politik und kultur“, der „Zeitung des Deutschen Kulturrates“, schrieb Prof. Dr. Leinfelder mit Blick auf mein Buch „Manifest des evolutionären Humanismus“: „Darwins Theorie wurde im 20. Jahrhundert kräftig missbraucht. Eugenik und nationalsozialistische „Rassenhygiene“, aber auch Stalinismus und Turbokapitalismus zweckentfremdeten Darwin. Um nicht missverstanden zu werden – ein „evolutionärer Humanismus“ hat damit natürlich wirklich überhaupt nichts zu tun, dennoch zeigt uns die Geschichte, wie vorsichtig, fundiert und ethisch verantwortlich die Wissenschaft heute vorgehen muss, wenn sie gesellschaftliche und ethische Schlüsse aus der Evolutionsforschung zieht.“

Diese Aussage Leinfelders unterschreibe ich sehr gerne! Selbstverständlich müssen wir als Wissenschaftler (und Philosophen!) vorsichtig sein, wenn wir Schlüsse aus der Evolutionsforschung ziehen wollen. Allerdings sollte derjenige, der es – aus welchen Gründen auch immer – vorzieht, keine oder nur halbgare gesellschaftliche und ethische Schlüsse aus der Evolutionsforschung zu ziehen, seine Handlungsweise ebenfalls dringend dahingehend überprüfen, ob sie wissenschaftlich/philosophisch fundiert und ethisch verantwortlich ist! Der Kompatibilisimus von Evolutionstheorie und religiösem Glaube sollte jedenfalls nicht als unhinterfragbares Dogma betrachtet werden, sondern als Hypothese, die der kritischen Prüfung bedarf.

Wie aus meinen Darlegungen hervorgeht, vertrete ich die gegenteilige These der Inkompatibilität, die besagt, dass Evolutionstheorie und religiöser Glaube (gerade auch in Gestalt der sog., „Hochreligionen“) nicht miteinander zu vereinbaren sind. Auch diese Hypothese bedarf zweifellos der kritischen Prüfung. Um herauszufinden, welche Hypothese die bessere ist, müssen wir endlich in eine offene, rationale Debatte eintreten! Forderungen nach Kritikverzicht („Leute wie Richard Dawkins oder Daniel Dennett sollten endlich mal still sein") sind in dieser Hinsicht kontraproduktiv und legen den Verdacht nahe, dass derjenige, der so spricht, sich gegen Argumente immunisieren will, denen er nichts Gleichwertiges entgegenstellen kann.

MSS