Psychologie | 20.10.2010
Oth Vilyathong von der York University in Toronto hat die Wirkung einer unbewussten Beeinflussung mit der Goldenen Regel auf die Toleranz der Menschen untersucht. Das Ergebnis mag überraschen.
Mit Hilfe von affektivem Priming kann man Menschen dazu bringen, über etwas nachzudenken, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Zum Beispiel wurde gezeigt, dass sich Gläubige und Atheisten gleichermaßen ehrlicher verhalten, wenn sie kurz zuvor ein Wortpuzzle mit religiösen Begriffen gemacht haben.
Der Psychologe Oth Vilyathong hat zusammen mit seinen Kollegen Nicole Lindner und Bryan Nosek versucht herauszufinden, ob eine unbewusste Beeinflussung mit der Goldenen Regel Menschen weniger homophob machen würde. Dies tat er online mit Hilfe des Project Implicit. Die Goldene Regel taucht in ähnlichen Varianten in fast allen Kulturen auf.
Die Forscher haben sowohl Christen als auch Buddhisten mit der christlichen und mit buddhistischen Version der Goldenen Regel beeinflusst und sie dann entweder explizit (durch eine direkte Frage) oder implizit (durch die Messung der Zeit, die sie brauchten, um Assoziationen mit homosexuellen oder heterosexuellen Paaren herzustellen) den Grad ihrer Homophobie gemessen.
Die verwendete christliche Version lautet „Was du willst, das man dir tu, das füg auch anderen zu.“ Die buddhistische Entsprechung war: „Niemals befriedet Hass den Hass, sondern nur die Freundlichkeit.“
Es hat sich gezeigt, dass die Buddhisten von Anfang an weniger homophob waren. Ihre Beeinflussung mit der Goldenen Regel hatte keine Wirkung auf ihren Grad an Homophobie, weder explizit noch implizit.
Die teilnehmenden Christen waren zunächst homophober und durch die Beeinflussung mit der christlichen Goldenen Regel änderte sich nichts daran. Als man sie allerdings mit der buddhistischen Version beeinflusste, wurden die Christen noch homophober, jedenfalls wenn man sie direkt fragte – es gab keinen Effekt auf implizite Haltungen. Sie sagten auch mit höherer Wahrscheinlichkeit, dass sie Homosexualität für einen Lebensstil hielten und nicht für eine angeborene Eigenschaft.
Die Forscher gehen davon aus, dass die buddhistische Goldene Regel von den Christen als implizite Kritik ihrer Intoleranz aufgefasst wurde. Auf die so wahrgenommene Kritik ihrer Intoleranz reagierten die Christen mit größerer Intoleranz. Bereits mehrere Studien haben gezeigt, dass Kritik von außen zu einer Trotzreaktion und zu einer Bestätigung der eigenen Werte der jeweiligen Gruppe führt, auch wenn man sich in diesem Fall fragt, warum das bei den teilnehmenden Buddhisten nicht so war. Möglicherweise darum, weil viele der Buddhisten in Ländern studierten, wo der Buddhismus eine Minderheitenreligion ist und vielleicht zeigen sie darum mehr Toleranz gegenüber anderen Minderheiten.
Vielleicht liegt es auch an der christlichen Glaubenslehre im Vergleich zur buddhistischen. Schließlich kommen Homosexuelle in der Bibel nicht gut weg.
Quellen:
Vilaythong T., O., Lindner, N., & Nosek, B. (2010). “Do Unto Others”: Effects of Priming the Golden Rule on Buddhists’ and Christians’ Attitudes Toward Gay People Journal for the Scientific Study of Religion, 49 (3), 494-506 DOI: 10.1111/j.1468-5906.2010.01524.x
Siehe auch: Ein Beitrag gegen die Goldene Regel
AM