Ethik | 20.08.2010
Die Präimplantationsdiagnostik, die 1990 entwickelt wurde und jetzt gerade 20 Jahre alt geworden ist, wendet sich nahezu ausschließlich an Frauen, die bereits ein oder zwei Kinder mit einer schwerwiegenden genetischen Erkrankung, wie etwa einer Zystischen Fibrose oder Chorea Huntington, zur Welt gebracht haben.
Wenn sich eine Frau, die bereits ein Kind durch Mukoviszidose verloren hat, ein gesundes Kind wünscht, hat sie zwei Möglichkeiten. Sie kann nach jeder Schwangerschaft eine Pränataldiagnostik durchführen lassen und alle Feten, die von der Erkrankung betroffen sind, abtreiben.
Dank der Präimplantationsdiagnostik kann sie aber auch eine In-vitro-Fertilisation in Anspruch nehmen, in deren Zuge vier oder sechs Embryonen gezeugt werden. Sobald die Embryonen aus acht Zellen bestehen, kann man ihnen eine entnehmen und prüfen, ob sie das Gen, das für die Erkrankung verantwortlich ist, enthalten. Wenn sich zeigt, dass von den sechs Embryonen zwei vom Mukoviszidose-Gen frei sind, überträgt man der Frau lediglich diese zwei gesunden Embryonen in ihre Gebärmutter. Auf diese Weise kann sie, ohne eine Vielzahl von Abtreibungen über sich ergehen zu lassen, schließlich ein gesundes Kind bekommen. Und ist es nicht besser, genetisch defekte Embryonen bereits vor einer Schwangerschaft auszusortieren als sie nach einer bereits Monate vorangeschrittenen Schwangerschaft abzutreiben?
Selbst Gegner der Präimplantationsdiagnostik bejahen diese Frage in aller Regel. Dennoch verweisen sie darauf, dass es „kein Recht auf ein gesundes Kind“ gebe. Damit haben sie zweifellos recht. Es gibt nicht nur kein Recht auf ein gesundes Kind, es gibt noch nicht einmal ein Recht auf ein eigenes Kind! Wie sollte ein solches Recht auch aussehen? Woher sollten beispielsweise die Kinder kommen, auf die unfruchtbare Paare ein Recht zu haben meinen?
Auch wenn Paare kein Recht auf ein gesundes Kind haben, haben sie doch unbestreitbar das Recht, reproduktionsmedizinische Technologien in Anspruch zu nehmen, die ihnen zu einem gesunden Kind verhelfen können. Und die Präimplantationsdiagnostik ist eine solche Technologie. Statt sie zu verteufeln, sollten wir sie daher auch begrüßen – ganz gleich, was Losinger, Hüppe und Kissler von ihr halten.
Edgar Dahl ist Philosoph und spezialisiert auf Bioethik. Er lehrt an der Uni Münster, betätigt sich als Wissenschaftsjournalist und betreibt den Blog Libertarian. Sein neuestes Buch ist Wer zur Hölle will schon in den Himmel?
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