Interview | 21.04.2009

Im Gespräch mit Helmut Debelius

 

DIVEMASTER: In Taucherkreisen werden beobachtete Tiere meist nur mit Kurznamen wie Zackis bezeichnet. Wie kommen Tiere zu Arten zu ihren wissenschaftlichen Namen?

Helmut Debelius: Während bei anderen Tiergruppen wie z.B. den Säugetieren nur selten neue Arten entdeckt werden, erlebt man dies bei den Fischen noch regelmäßig. Die Literatur enthält zahlreiche Synonyme, also verschiedene Namen für die gleiche Art. Oft werden auch falsche Namen benutzt, sogar für die am häufigsten vorkommenden Arten. Nur wenn eine bestimmte Gruppe gründlich untersucht wird, werden derartige Fehler offensichtlich. Viele Probleme entstehen, wenn einander ähnliche Arten mit dem gleichen Namen bezeichnet wurden. Eine populäre Methode der Artbestimmung ist ein Bestimmungsschlüssel, der auf den arttypischen Merkmalen basiert. Da ein solcher Schlüssel nicht alle Arten abdecken und auch eine unbekannte oder neue Art in den Schlüssel passen kann, kommt es leicht zu Fehlbestimmungen.

Wird ein Schlüssel nicht in der geographischen Zone eingesetzt, für die er geschrieben wurde, sind Irrtümer vorprogrammiert. So tauchte beispielsweise das Seepferdchen Hippocampus whitei,das nur an der Ostküste Australiens lebt, in der südafrikanischen Literatur auf, weil das ähnliche H. borboriensis in einen Schlüssel passte. Schlüssel sind jedoch sehr nützlich, um Gattungen zu bestimmen. Auch dort, wo die Diversität auf der Artebene nicht zu groß ist, wie in den gemäßigten Zonen oder im Atlantik, können Schlüssel sehr hilfreich sein. Wenn man aber nicht bereits Experte ist, können Schlüssel eher für Verwirrung sorgen. Um die Seepferdchen und Seenadeln des tropischen Indo-Westpazifik zu bestimmen, sind sie beispielsweise nicht sehr nützlich.

Die Entdeckung einer neuen Art kann auch den für eine andere Art benutzten Namen in Frage stellen, da die neue Art vielleicht besser zu der entsprechenden Originalbeschreibung passt. In vielen Fällen bleibt die Verwirrung bestehen, insbesondere wenn Arten bereits vor langer Zeit benannt wurden. Beschreibungen und Illustrationen vieler damaliger Autoren waren exzellent, die anderer jedoch zu einfach und schlecht, so dass sie auf mehrere Arten zutrafen. Typenmaterial mancher Arten ging verloren oder wurde in Kriegen und Naturkatastrophen zerstört. In einigen Fällen wurden Typusexemplare durch neue ersetzt, die eine andere Art repräsentierten.

Da viele Arten eine beschränkte Verbreitung haben, kann die Typuslokalität eine wichtige Rolle beim Bestimmen ihrer Identität spielen. Verwirrung entsteht immer, wenn die gleiche Art mehrmals von verschiedenen Leuten beschrieben wurde, verschiedene Formen der gleichen Art eigene Namen erhielten oder der gleiche Name für andere Arten benutzt wurde. Der Name der Erstbeschreibung hat Priorität und wird als korrekter wissenschaftlicher Name akzeptiert; er ist das „ältere Synonym“. Alle nachfolgenden werden als „jüngere Synonyme“ bezeichnet. Ein gebräuchlicher Name kann ungültig und ersetzt werden, wenn ein älterer Name gefunden wird. Bei Gattungen können ähnliche Veränderungen auftreten. Arten können außerdem in andere Gattungen gestellt werden, wenn es die Verwandtschaft erfordert.