Interview | 21.04.2009

Im Gespräch mit Helmut Debelius

 

Artenbildung findet oft statt, wenn Populationen durch geologische Prozesse geteilt werden, so dass sie sich nun völlig unabhängig voneinander entwickeln können. In anderen Fällen kann ein Teil der Population durch Wanderung den günstigsten Umweltbedingungen folgen. Solche Arten weichen nur wenig von ihrer Ausgangsform ab, während die zurückgebliebenen einen Anpassungsprozess durchlaufen und sich von der ursprünglichen Form deutlich unterscheiden. So können Artenkomplexe entstehen, in denen sich die ähnlichsten Arten an den äußeren Punkten ihres Verbreitungsgebietes befinden. Im Indo- Westpazifik findet man daher einander sehr ähnliche Arten bei Ostaustralien, Südost-Japan und
Ostafrika.

Isolierte Populationen entwickeln sich unabhängig voneinander. Erst vor relativ kurzer Zeit voneinander getrennte Populationen können sich in ihrem Aussehen bereits ein wenig voneinander unterscheiden. Ihre Mitglieder pflanzen sich aber miteinander fort, wenn sie wieder aufeinander treffen. Solche Formen werden meist als Unterarten oder geographische Varianten bezeichnet. Oft betrachtet man isolierte Populationen als Arten, wenn sie keine fruchtbaren Nachkommen mehr miteinander zeugen können. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht. Es kann durchaus Arten geben, deren Angehörige sich so sehr voneinander unterscheiden, dass der Artstatus gerechtfertigt ist und sich trotzdem miteinander fortpflanzen, wenn man sie zusammenbringt. Einen einigermaßen sicheren Hinweis auf den Artstatus gibt es nur, wenn sich zwei Arten im gleichen Lebensraum aufhalten, aber dennoch keine gemeinsamen Nachkommen zeugen.

Die Rate der Veränderungen einer Art wird durch eine Kombination vieler Faktoren bestimmt. Die natürliche genetische Drift findet relativ langsam statt, aber Lebensraumveränderungen verlangen entsprechende schnelle Anpassungen. Wettbewerb mit ähnlichen Arten oder Druck durch Räuber kann die Entwicklung einer Art jedoch sehr beschleunigen. Im Laufe der Zeit werden isolierte Populationen so zu echten Arten. Da die Jungen bei den meisten Seepferdchen und ihren Verwandten bereits weit entwickelt sind, wenn sie aus der Brutpflege entlassen werden, ist ihre Verbreitung stärker beschränkt als bei den Fischen, deren planktonische Larven weit verdriftet werden. Einige tropische Seenadeln und Seepferdchen lassen sich jedoch auch als Adulte in lockeren Pflanzenflößen verdriften; diese Arten sind weit verbreitet. Derzeit werden alle Seepferdchen in die Gattung Hippocampus gestellt (Anmerkung der Redaktion DIVEMASTER Nr. 48). Unterschiede zwischen den in tropischen und gemäßigten Gewässern vorkommenden Arten könnten allerdings die Beschreibung von Untergattungen rechtfertigen. Die Seenadeln zeigen eine größere Diversität, so dass verschiedene Gattungen aufgestellt wurden.