Dokumentation | 29.12.2008

Die Genialität von Charles Darwin (3)

Was wir in Richard Dawkins „The Genius of Charles Darwin“ über die Evolution erfahren. Teil 3: Gott schlägt zurück


Der Virus des Relativismus

Nun trifft sich Dawkins mit den Lehrern der naturwissenschaftlichen Fächer von der Schule der Kinder, die er in Teil eins zum Ausflug an den Strand zum Fossilien-Suchen mitgenommen hatte. Einer von ihnen, Chris Scott, sagt, dass die religiösen Geschichten ein wichtiger Teil des Lebens der Kinder sind und dass er nur an die Evolution glaubt, weil er ein Wissenschaftler ist. „Nein, nicht weil Sie ein Wissenschaftler sind! Die Belege sind da und deren Belege sind nicht da“, meint Dawkins. Für Joe Pitch, einen anderen Lehrer, gibt es für die Kreationisten Belege für ihre Religion. "Das sind keine Belege!", wendet Dawkins ein. Die Lehrer finden, dass sie nicht dafür da sind, den Kindern die Religion ihrer Familien auszureden. „Warum nicht?“, fragt Dawkins. Die Belege zeigen eindeutig, dass die Evolution korrekt ist und sie zeigen nicht für den einen das eine und für den anderen etwas anderes.

Dem Relativismus, einer postmodernistischen Philosophie, zufolge, sind verschiedene Wahrheiten gleichermaßen wahr, selbst wenn sie sich widersprechen. Diese Haltung wird assoziiert mit Toleranz und mit Multikulturalismus. „Aber“, wie Dawkins sagt, „die Schwerkraft ist nicht nur eine Version der Wahrheit, sie ist die Wahrheit, und wer auch immer das bezweifelt, ist dazu eingeladen, aus einem zehn Fuß hohen Fenster zu springen.“

Der Relativismus stammt ursprünglich aus der christlichen Theologie. Die anglikanische Kirche akzeptierte die Evolution zu Darwins Zeiten als eine Wahrheit innerhalb einer größeren Wahrheit, obwohl sie der „größeren Wahrheit“ deutlich widerspricht.


Aufgeweichter Glaube

Dawkins spricht nun mit Rowan Williams, dem Erzbischof von Canterbury und somit wichtigster Geistlicher der anglikanischen Kirche. Ihm zufolge ist Gott der Schöpfer des evolutionären Prozesses, er greift aber nicht in ihn ein. Wenn das so ist, meint Dawkins, warum glaubt Williams dann an die biblischen Wunder, an „billige Taschenspielertricks“, die schließlich einen Eingriff Gottes in die natürliche Welt darstellen? Williams meint, dass die Wunder der Bibel keine Aufhebung der Naturgesetze sind, sondern „die Natur, die sich ihren eigenen Tiefen öffnet“. Dawkins genügt diese Antwort nicht: „Entweder die Jungferngeburt fand wirklich statt oder nicht, Sie kommen da nicht heraus, indem Sie die Poesie bemühen.“

Moderate Gläubige, so Dawkins, öffnen Kreationisten die Tür, indem sie sagen, dass es eine Tugend sei, etwas auf Basis des Glaubens für wahr zu halten und nicht auf der Basis von Belegen. Das Christentum reagiert auf Darwin mittels „leugnen, angreifen, absorbieren“. Die Grausamkeit der Evolution mag ja schockierend sein, aber die Evolution hat trotzdem stattgefunden. Es ist besser, die Realität zu akzeptieren, als sie zu vermeiden und eine Lüge zu leben. Darwin hatte jedenfalls irgendwann genug davon. Er nannte das Christentum „eine verdammenswerte Lehre“, weil seine atheistischen Freunde und Familienmitglieder dem christlichen Glauben zufolge in der Hölle landen würden. „Ich kann in der Tat kaum verstehen, wie irgendjemand wünschen sollte, das Christentum sei wahr.“


Die Freuden der Evolution

„Die elegante Erklärung zu begreifen, wie sich die Arten entwickelt haben, ist eine Freude“, meint Dawkins. Ist sie den Preis der Illusion ewigen Lebens wert?

Charles Darwin sagte, er habe „nicht die geringste Angst zu sterben“. Dawkins besucht Daniel Dennett, der genauso alt ist wie er, den er aber trotzdem für seinen „intellektuellen großen Bruder“ hält. Dan Dennett war dem Tod vor ein paar Jahren sehr nahe. Viele seiner Freunde beteten für ihn. „Danke, aber habt ihr auch ein Lamm geopfert?“, meinte Dennett zu ihnen. „Die Seele besteht aus blinden, kleinen Robotern, den Nervenzellen“, erklärt der Philosoph. „Man könnte sagen, wir sind das Nervensystem des Planeten.“

„Wie Darwin finde ich die Realität aufregend“, sagt Dawkins.


Vorschau

Am nächsten Montag gehen wir auf die Reaktionen ein, welche diese Dokumentation provoziert hat. Missbraucht Dawkins die Wissenschaft für seine „atheistische Propaganda“, oder ist der Atheismus die logische Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen der Wissenschaft?

 

AM