Evolution der Religiosität | 20.04.2009

Fruchtloser Glaube

Was will uns Michael Blume damit sagen? Dass der Hinduismus „adaptiver“ als der Katholizismus sei? Doch wer sagt, dass die verschiedenen Formen der Religiosität überhaupt adaptiv sind? Wenn die Anhänger verschiedener Religionen unterschiedlich viele Kinder zeugen, liegt dies sehr wahrscheinlich nicht an den Dogmen ihrer Religion, wie etwa dem Karma, dem Nirvana oder der Trinität, sondern allein an der Sexualethik ihrer Religion.

Wäre die Religion nicht ein Produkt der kulturellen Evolution, sondern ein Produkt der natürlichen Selektion sollten die Konfessionslosen, Agnostiker, Skeptiker und Atheisten längst am Aussterben sein. Schließlich zeugen sie weit weniger Kinder. Wir brauchen uns jedoch in Europa nur umzusehen, um zu entdecken, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Trotz ihrer reproduktiven Zurückhaltung sind die Ungläubigen in ganz Westeuropa auf dem Vormarsch.

Wie kommt das? Um noch einmal den Vergleich zwischen Religiosität und Musikalität zu bemühen: Auch wenn sich die Musiker von Heavy Metal Bands erfolgreicher fortpflanzen sollten als die von Kammerorchestern – es ist die kulturelle, nicht die natürliche Selektion, die über den „differentiellen Reproduktionserfolg“ einer Musikrichtung entscheidet.

Meine dritte und letzte kritische Anmerkung betrifft die von Michael Blume angestellte Vermutung, dass die Religiosität möglicherweise auch ein Produkt der sexuellen Selektion sein könne. Was soll das bedeuten? Das soll bedeuten, dass sich die Religiosität im Laufe der Evolution vielleicht deshalb ausgebreitet hat, weil Frauen religiösen Männern gegenüber areligiösen Männern sexuell den Vorzug gegeben haben.

So wird in der Rezension des FOCUS denn beispielsweise auch kurz auf die berühmte „Gretchenfrage“ angespielt. Im „Faust“ lässt Goethe das Gretchen fragen: „Nun sag, wie hast du es mit der Religion?“, und Mephistopheles kommentiert: „Die Mädels sind doch sehr interessiert, ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch. Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.“

Dass die Religiosität ein Produkt der sexuellen Selektion sein könnte, ist ein ebenso interessanter wie charmanter Gedanke. Doch ist es wirklich plausibel anzunehmen, dass der evangelische Bischof Huber auch nur annähernd so attraktiv auf Frauen wirkt wie der agnostische Schauspieler George Clooney?

Glücklicherweise müssen wir uns hier nicht mit bloßen Spekulationen begnügen. Der Psychologe David M. Buss von der University of Texas at Austin hat über 10.000 Männer und Frauen aus 37 verschiedenen Kulturen nach ihren Partnerwahlkriterien befragt. Während „freundlich“, „attraktiv“ und „intelligent“ auf der Wunschliste ganz oben standen, befanden sich „fromm“, „keusch“ und „religiös“ am Ende der Liste.

 

Egar Dahl