Rezension | 28.04.2011

Frans de Waal: Das Prinzip Empathie

Darwin-Jahr Bild

Vor gut 150 Jahren erschien Charles Darwins Buch Die Entstehung der Arten. Seitdem wird die Evolutionstheorie in erster Linie unter dem Aspekt des Überlebens der Tüchtigen (Survival of the fittest) diskutiert. Doch genau dies greift nach der Ansicht von Frans de Waal zu kurz. Der geborene Niederländer De Waal, der in Atlanta Professor für Primatenverhalten ist und der zweifellos zu den berühmtesten Biologen gehört, widmet sich deshalb in seinem neuen Buch der Empathie. Empathie, das bedeutet Einfühlung und Sympathie. Für de Waal gehört diese zur Natur vieler Tiere und eben auch zur Natur des Menschen.

 „Gier ist out, Empathie ist in!“, so heißt es bereits unmissverständlich im Vorwort. De Waals These ist, dass in der Natur eben nicht nur der Kampf ums Überleben tobt, sondern auch mitfühlendes Verhalten, gegenseitige Hilfe und Kooperation zu finden ist. Um dies zu belegen, hat er eine Vielzahl von Fällen zusammengetragen. Er erzählt von hilfreichen Delfinen, von Elefanten, die ihre Artgenossen beschützen, von einer Robbe, die einen Hund ans Ufer bringt und noch von vielen weiteren Beispielen für Hilfsbereitschaft im Tierreich. Diese amüsieren zum Teil, manches verwundert und verblüfft auch. Gerade auch die Beispiele aus dem Bereich der Primaten sind spannend. So verdeutlicht er durch einen Vergleich zwischen Schimpansen und Bonobos, dass Konfliktbewältigungsstrategien sehr unterschiedlich sein können. Während unsere nächsten Verwandten die Schimpansen anderen Gruppen oft feindselig begegnen und sie mitunter sogar regelrechte Feldzüge gegen andere führen, so reagieren die mit uns ebenso stark verwandten Bonobos anders. Hier lautet das Motto Sex statt Krieg, um Konflikte zu bewältigen. Leider sind die Beispiele insgesamt zu anekdotisch. Das ist zwar unterhaltsam und für ein populärwissenschaftliches Buch nicht unüblich. Dennoch hätte eine systematischere Analyse der Befunde die Ausgangsthese weit besser untermauert.

De Waals Buch ist aber nicht nur ein biologisches Werk. Es ist auch ein durch und durch politisches Statement und zwar gegen eine neoliberale Lesart der Evolutionstheorie. Mit scharfen Worten kritisiert de Waal etwa den Guru der Neoliberalen Milton Friedman, ihm wirft er vor eine Ideologie vertreten zu haben, die den Menschen auf den letzten Platz verbannte. Folgerichtig stellt er Adam Smiths „unsichtbarer Hand“ eine „unsichtbare helfende Hand“ gegenüber. De Waal bekennt: „Eine Gesellschaft, die sich ausschließlich an egoistischen Motiven und Marktkräften orientiert, kann vielleicht Wohlstand schaffen, aber nicht die Einigkeit und das gegenseitige Vertrauen, die die Basis für lebenswerte Verhältnisse sind. Deshalb ermitteln Erhebungen das höchste Maß an Glück nicht in den reichsten Ländern, sondern in solchen, in denen das Vertrauen zwischen den Bürgern am größten ist.“

Insgesamt ist de Waals neues Buch überaus lesenswert. Zwar fehlt die systematische Analyse, aber seine Ausführungen regen zweifellos zum Nachdenken an. Auch die starke politische Komponente macht das Buch interessant.

Eine Rezension von Frank Welker zum Buch von Frans de Waal: Das Prinzip Empathie.