Rezension | 06.01.2011

Evolutionstheorie – Akzeptanz und Vermittlung im europäischen Vergleich.

Darwin-Jahr Bild

„Kreationismus ist kein Problem in Deutschland – hier doch nicht“ – das hört man immer wieder. Dass das nicht stimmt, belegen viele Beobachtungen und Fakten und das wird letztlich auch anhand der Beiträge dieses Tagungsbandes deutlich.

So haben Umfragen an Universitäten ergeben, dass 15% der zukünftigen Lehrer die Evolution ablehnen; unter der Studierenden für das Lehramt Biologie sind es immerhin erschreckende 7% - bei jungen Menschen also, die dieses Thema unterrichten sollen. Eine weitere Beobachtung kommt dazu: vielfach wird das Thema Evolution aus Zeitmangel und wegen der Verkürzung des Oberstufenunterrichts gar nicht ernsthaft unterrichtet: eigene Beobachtungen über mehrere Jahre hinweg in Rheinland Pfalz und in Hessen belegen dies. Andererseits nimmt die Anzahl religiös konservativ ausgerichteter Privatschulen zu. Hier richtet man sich (natürlich) nach den staatlichen Lehrplänen, aber was nebenbei an Unterrichtsmaterialien eingesetzt wird, offenbart sich meist nur bei Konflikten und gerät eher nicht an die Öffentlichkeit. Immer wieder wird suggeriert, “Schöpfungsbiologie“ –  kommt sie nun als „Kurzzeitkreationismus“ oder in der „Intelligent Design“-Version daher, sei als wissenschaftlich zumindest in Erwägung zu ziehende, wenn nicht gar gleichberechtigte Alternative ein Thema im Biologieunterricht. Und wer hier fragend innehält, dem sei das Buch schon einmal vorab empfohlen: Begriffsklärungen zu den angesprochenen Fragen helfen auch den dem Thema etwas ferner Stehenden, den unlauteren Absichten der Bauernfänger aus den diversen religiös konservativen Lagern nicht auf den Leim zu gehen. Dazu kommen interdisziplinäre und sehr lesenswerte Beiträge zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion um die Evolutionstheorie, die bis in die Sozialwissenschaften reichen.

Außerordentlich interessant und Kernthema ist der Vergleich, wie in den Bildungseinrichtungen der einzelnen europäischen Länder (inkl. der Türkei) das Thema Evolution behandelt, vermittelt und akzeptiert bzw. abgelehnt wird. Und hier werden teilweise eklatante Unterschiede deutlich und es fallen nicht wenige Defizite auf, oft hervorgerufen durch die Einflussnahme konservativer Gruppen oder einzelner Personen wie z.B. Adnan Oktar alias Harun Yahya, dessen Gruppen immer wieder entsprechende Veranstaltungen auch an mitteleuropäischen Universitäten zu platzieren versuchen. Didaktische Überlegungen runden den sehr empfehlenswerten, vom Biologiedidaktiker Dittmar Graf (Dortmund) herausgegebenen Band mit seinen insgesamt zehn Beiträgen ab, dem man sich eine weite Verbreitung und Benutzung in Bibliotheken an Schulen, Lehrerseminaren und Hochschulen wünschen würde. Daneben sei dem einen oder anderen Kultusministerium (durchaus nicht nur in Ankara!) der Band nur wärmstens empfohlen. Eine Übersetzung in wichtige europäische Sprachen (inkl. russisch!) wäre sicherlich mehr als nur wünschenswert.

Eine Rezension von PD Dr. Stefan Schneckenburger zum Buch

Dittmar Graf (Hrsg.)
Evolutionstheorie – Akzeptanz und Vermittlung im europäischen Vergleich.
Springer – Heidelberg etc.,
ISBN 978-3-642-02227-2
164 S., kartoniert, 29.95 €