Interview | 14.06.2012

Evolution und Ernährung

Darwin-Jahr Bild

Die studierte und promovierte Biologin Sabine Paul hatte zuletzt mit dem Darwin Code in Zusammenarbeit mit dem Evolutionsbiologen Thomas Junker zum Darwin Jahr 2009 einen der spannendsten Beiträge zu dessen Jubeljahr verfasst. Auch mit ihrem neuen Buch Paläopower bleibt Paul Darwin und der Evolution treu und widmet sich primär der evolutionären Grundlage unserer Ernährung. Zu diesem Thema äußert Sie sich nun auch im Interview mit dem Evomagazin.


Evomagazin: In Ihrem neuen Buch geht es primär um Evolution und Ernährung. Was ist denn an diesem Thema so spannend?

Sabine Paul: Nahrung ist entscheidend für das Überleben aller Organismen. Die richtige Ernährung bestimmt Gesundheit, Wohlbefinden und Fortpflanzungsfähigkeit. Ernährung ist damit eines der zentralen evolutionären Themen, wurde bislang aber wenig beachtet. Zurzeit steigt die Zahl der ernährungsbedingten Zivilisationskranken rapide an. Seit Jahren wird nach wirksamen Lösungen gesucht. Hier kann die evolutionäre Ernährung einen entscheidenden Beitrag leisten.

Evomagazin: Ihr Buch thematisiert sehr stark, wie Menschen als Jäger und Sammler sich ernährt haben. Woher weiß man eigentlich, wie sich die Menschen etwa zur Steinzeit ernährt haben?

Sabine Paul: Da kommen die Ergebnisse vieler Methoden zusammen. Paläobotaniker ermitteln an Fundstellen der Steinzeit, welche Pflanzenarten. Tierknochen, die Werkzeugspuren aufweisen, geben Auskunft über Beutetiere. Isotopenbestimmungen an Skeletten zeigen das Verhältnis von tierischer zu pflanzlicher Nahrung an. Gebisse und Kieferbau veranschaulichen, ob es sich um besonders harte oder eher weiche Nahrung handelte. Heutige Jäger und Sammler gewähren Einblick in die Art der Zubereitung und Auswahl der Nahrungsquellen etc.

Evomagazin: Waren denn die Ernährungsmethoden der Menschen, die zur Steinzeit lebten, nicht sehr unterschiedlich, je nachdem in welcher Umgebung sie lebten?

Sabine Paul: Ja, natürlich, wir betrachten hier einen Zeitraum von bis zu zwei Millionen Jahren und viele Regionen. Hinzu kommt, dass sich Menschen auch abhängig vom Alter oder besonderen Lebenslagen wie Schwangerschaft, Krankheit bzw. besonderer körperlicher Anstrengung ernähren. Allerdings gibt es Grundmuster, die man ermitteln kann. Wir definieren ja heute auch, was eine „westliche Ernährung“ ist, auch wenn dies regional und individuell sehr unterschiedlich aussieht.

Evomagazin: Was sind denn die wesentlichen Unterschiede zwischen der damaligen Ernährung und dem, was wir heute essen?

Sabine Paul: Zur Zeit der Jäger und Sammler war die Vielfalt an Nahrungsquellen größer. Sie stammten aus natürlicher Umgebung, also nicht turbo-gemästet oder ertragsmaximiert. Dadurch war der Nährstoffgehalt viel größer. Gegessen wurde saisonal (z.B. Eier) und regional (z.B. Fisch und Meeresfrüchte). Insgesamt gab es weniger Salz und Zucker, andere Fette, mehr Eiweiß und weniger Kohlenhydrate. Am wichtigsten aber: Es gab keine Milchprodukte, ebenso wenig wie glutenhaltige Getreide wie Weizen, Gerste, Roggen. Auch Fertigprodukte waren völlig unbekannt.

Evomagazin:
Unsere moderne Ernährung zeichnet sich vor allem ja auch dadurch aus, dass alles bereits fertig zubereitet auf den Tisch kommt. Was ist aus evolutionsbiologischer Sicht denn von Fertiggerichten und Tütensuppen zu halten?

Sabine Paul: Jede Ernährungsform hat ihren Preis. Wer frische Qualität vorzieht, hat viel Aufwand beim Einkauf und Kochen. Wer sich Bequemlichkeit über Fertiggerichte erkauft, verliert Qualität. Billige Ersatzstoffe lösen das Original ab, Farb- und Geschmacksstoffe täuschen darüber hinweg. Dem Körper fehlen so auf Dauer wichtige Nährstoffe. Evolutionär sind wir nicht an das Erkennen solcher nährstoffarmen Kunstnahrung angepasst. Wir ersetzen daher oft die fehlende Qualität durch Menge – Übergewicht ist die Folge.
 
Evomagazin: Wie sähe denn dann aus Ihrer Sicht eine bessere Ernährungsweise aus? 

Sabine Paul: Grundsätzlich so frisch, vielfältig und ursprünglich wie möglich. Jeder sollte individuell austesten, was er oder sie gut verträgt. Vor allem Milchprodukte, glutenhaltige Getreide, große Eiermengen und industriell verarbeitete Produkte können Probleme bereiten. Wer sich an die Auswahl der Jäger und Sammler hält, wird mit einer hochwertigen Mischung aus Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten kombiniert mit viel Gemüse, Obst, Salat, Pilzen, Nüssen, Samen, Kräutern und Wildpflanzen erstaunlich positive Effekte erleben. 

Evomagazin: Wir danken für dieses Gespräch!

Bildnachweis: Copyright Evelin Frerk