Rezension | 03.12.2009

Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus

 

Glaube es einfach

Christen gegen EntropieKommen wir schließlich zu dem theologischen Beitrag von Christina Aus der Au. Sie stellt gleich zu Anfang (S. 341) fest: „Auch wenn Vertreter eines ‚aufgeklärten‘ Christentums nicht die Schöpfungsgeschichte als wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie ins Feld führen, heißt dies aber nicht, dass sie sich deswegen wissenschaftsgläubig von den Naturwissenschaften vorschreiben ließen, was sie zu wissen und zu glauben hätten.“ Auch die „aufgeklärten“ Christen lassen sich also nicht verführen vom Gott der Wissenschaft. Schließlich heißt es im ersten Gebot: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“.

Die Autorin hat offensichtlich keinerlei Verständnis dafür, wie die wissenschaftliche Herangehensweise funktioniert, wenn sie ernsthaft meint, dass die Naturwissenschaften – oder auch die Geisteswissenschaften – von irgendwem einen Glauben einfordern würden oder dass wir die Leute zwingen würden, etwas zu wissen. Sie können auch unwissend bleiben, eine Gelegenheit, die viele Menschen ergreifen. Wissenschaftliches Arbeiten funktioniert auf der Basis von Logik und Empirie, nicht auf der Basis von, einfach so, ohne Grund, irgendetwas zu glauben, nur weil es Tradition ist, nur weil es eine Autorität sagt, nur weil es offenbart wurde. Wer außer uns sagt denn bitte: „Glaube nichts, prüfe alles“? Das Christentum wohl kaum.

Christina Aus der Au spricht von einem „Kategorienfehler“ und meint damit folgendes: „Naturwissenschaftliches Beobachten kann sich immer nur auf von außen beschreibbare Vorgänge beziehen. Ob dahinter ein planendes Subjekt steckt oder nicht, ist nicht beschreibbar und somit einem Beobachter nicht zugänglich“ (S. 345). Da stellt sich jetzt natürlich die Frage, warum dieses planende Subjekt der Theologie zugänglich sein sollte. Welche Methoden hat die Theologie, die wir nicht haben? Und woher weiß man eigentlich, dass dieses planende Subjekt überhaupt existiert, wenn es sich dem naturwissenschaftlichen Beobachten nicht erschließt? Könnte man nicht genausogut feststellen: „Ob dahinter ein zaubernder Kobold steckt oder nicht, ist nicht beschreibbar und somit einem Beobachter nicht zugänglich“ oder „Ob dahinter eine unsichtbare, plappernde Mülltonne steckt oder nicht, ist nicht beschreibbar und somit einem Beobachter nicht zugänglich“?

Davon abgesehen stimmt das alles sowieso nicht. Denn ein „planendes Subjekt“ ist ein rationaler Agent. Wir müssten also in der Lage sein, den rationalen Plan des planenden Subjekts in der Natur zu beobachten. Stattdessen entdecken wir aber, dass die Evolution gerade nicht zweckgerichtet, also geplant ist. Im Gegenteil ist die Natur sinnlos und hat kein erkennbares Interesse am Menschen oder an sonstigen Lebensformen (was nicht bedeutet, dass unser Leben sinnlos ist! Schließlich können wir uns den Lebenssinn selbst erschaffen, eine weithin unterschätzte Fähigkeit, welche den meisten anderen Tieren nicht gegeben ist!). Auf S. 345 spricht die Autorin den „methodischen Theismus“ an und meint damit „ein jüdisch-christliches Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer“ und eine „entsprechende[...] Interpretation des Kosmos“. Die Methodik des methodischen Theismus besteht also darin, einfach so etwas zu glauben und den gesamten Kosmos vor dem Hintergrund dieses völlig willkürlichen Glaubens zu interpretieren. Warum sollte man das tun?

Über den christlichen Gott sagt Christina Aus der Au auf S. 346: „Mit seinem Namen entzieht er sich jeglichem Definitionsversuch; er ist nicht die Ursache, sondern der Urheber der Schöpfung.“ Natürlich ist es ungemein praktisch, wenn man etwas nicht definiert, weil es dann auch nicht widerlegt werden kann. Ich könnte zum Beispiel sagen: „Das Pumplerpum schmeckt süß und cremig.“ Fragt mich jemand, was das Pumplerpum eigentlich ist, weil er das auch einmal versuchen möchte, sage ich einfach: „Mit seinem Namen entzieht sich das Pumplerpum jedem Definitionsversuch.“ Und schon kann niemand widerlegen, dass das Pumplerpum wirklich süß und cremig schmeckt. Man muss es mir einfach glauben. Oder auch nicht. Ich kann ferner nicht erkennen, warum ein Urheber keine Ursache sein sollte. Natürlich sind Urheber (personelle) Ursachen. Wenn ich mit meiner Hand eine Kugel anstoße, ist der Stoß meiner Hand die Ursache der Bewegung der Kugel und ich bin der Urheber der Bewegung der Kugel. Ist Gott also der Urheber der Schöpfung, muss er zum Zeitpunkt der Schöpfung mit der natürlichen Welt interagiert haben. Was prinzipiell überprüfbar wäre, zum Beispiel wenn plötzlich aus dem Nichts eine Unmenge an Energie aufgetaucht wäre (was aber nicht so war).

Auf S. 347 stellt die Autorin fest: „Aber auch hier liegt der Clou darin, dass sich Gott in seiner Rede als der Souveräne, der Nicht-Objektivierbare offenbart, der als solcher gerade nicht ein Element naturwissenschaftlicher Erklärung sein kann.“ Dies bedeutet nichts anderes, als dass Gott einfach so behauptet, dass wir ihn nicht untersuchen könnten. Aber warum sollten wir ihm das glauben? Es interessiert uns doch nicht, ob Gott sich für den nicht-untersuchbaren Souverän hält, genausowenig wie es uns interessieren würde, wenn sich ein König für den nicht-untersuchbaren (und somit nicht-kritisierbaren!) Souverän halten würde. Wir untersuchen und hinterfragen ihn einfach trotzdem!

Und wieder müssen die Neuen Atheisten, namentlich werden Richard Dawkins und Daniel Dennett genannt, dran glauben, wenn die Autorin feststellt, wem die Evangelische Kirche entgegentritt, nämlich den „übereifrige[n] Exponenten“ der Evolutionstheorie, „die den Naturalismus unreflektiert zu einer Weltanschauung erhoben haben“ (S. 348). Selbstverständlich wird in keiner Weise belegt, inwiefern dieser Prozess „unreflektiert“ vonstatten gegangen sei. Der Beitrag endet mit einem Vergleich der biblischen Schöpfungsgeschichte und der Evolutionstheorie mit einer Orgel und einem Staubsauger. Ich empfinde das als derart unpoetisch, dass ich mich nicht näher damit befassen möchte.

 

Fazit

Wer in der Evolutionsbiologie schon etwas belesener ist und sich für Kreationismus und Intelligent Design interessiert, der sollte sich „Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus“ auf jeden Fall zulegen.

 

AM