Veranstaltungsbericht | 26.01.2009

Die Evolution empfängt ihre Kinder

 

Diskurs der Wissenschaften

Eine Podiumsdiskussion war genau so gut besucht wie alle anderen Veranstaltungen, „Die Evolution sexueller Untreue". Auf dem Podium saßen Prof. Dr. Evelyn Korn (Lehrstuhl für Mikroökonomie, Universität Marburg), Prof. Dr. Sigrid Weigel (Direktorin des Zentrums für Kultur- und Literaturforschung, Berlin), Prof. Dr. med. Wulf Schiefenhövel (Professor für Humanetologie, München) und Dr. Wolfgang Forstmeier (Max-Planck Institut für Ornithologie, Seewiesen). Die Moderation hatte Jörg Thadeusz, der aus verschiedenen Fernsehsendungen als Moderator und Autor bekannt ist.

Von der grundlegenden, heiteren Feststellung des Moderators ausgehend, „Sexuelle Untreue ist das, was die Leute draußen machen, wir beschäftigen uns hier damit wissenschaftlich, d.h. theoretisch!" war die erste Feststellung, dass das monogame Beziehungsmodell, die Voraussetzung für Untreue, auf der gesamten Welt nicht dominant sei. Es gäbe alle Familienformen, die man sich vorstellen könne. Und auch in Deutschland sei, unter dem Gesichtspunkt der ‚seriellen Monogamie', das Leben mit mehreren Sexualpartnern das üblichere.

Sehr schnell zeigte sich, dass die Vorstellung von der Einheit und dem Diskurs der Wissenschaften nur dann realisiert wird, wenn alle daran Beteiligten dazu bereit sind. Als die Kulturwissenschaftlerin den Begriff der „Treue" auf die Bibel zurückführte und „Treue" als die Bindung eines Vertrages zwischen Gott und dem Mensch darstellte, blieb es nicht nur bei einem Kopfschütteln, sondern kam zum direktem Widerspruch aus historischer, ökonomischer und biologischer Sicht. Es war eine sehr interessante Situation, zu erleben, wie an einer Auffassung, dass der Mensch mittlerweile kulturell überformt sei, alle bekannten biologischen Bedingtheiten des Menschen, seien es Reaktionen auf hormonelle Einflüsse, der Bedingtheit durch das Freisetzen von sexuellen Botenstoffen, den individuellen Kosten-Nutzen-Kalkülen, etc. schlicht an einer kulturellen Ignoranz abprallen können.

Insofern können solche Veranstaltungen nicht hoch genug gelobt werden, in denen über die ‚Tellerränder' der Disziplinen geschaut werden kann und es dadurch deutlich wird, wann ein Diskurs stattfindet, sich entwickelt und wann nicht.

Es ist der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu wünschen, auch in den kommenden Jahren genügend Mittel und Sponsoren für solche Veranstaltungen zu bekommen.

Carsten Frerk

 

Fotografien (c) Evelin Frerk