Darwins Dankesrede | 17.02.2009

„Es war eine schwierige Geburt"

 

Dieser sog. „Sozialdarwinismus" ist mir ein Gräuel! Und ich wehre mich sehr entschieden dagegen, in irgendeinen Zusammenhang mit solchen Theorien gebracht zu werden!(21) Denn niemals - ich wiederhole: niemals! - habe ich ein „Recht des Stärkeren" postuliert, noch habe ich je behauptet, dass es in der Natur nur um einen erbarmungslosen Kampf gehe - und nicht auch um Kooperation und Liebe! Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass die vielen Druckseiten, die ich über sexuelle Zuchtwahl, über Liebe und Sympathie, über Hilfeleistungen bei Tieren und ihre sozialen Instinkte geschrieben habe, so nachhaltig ignoriert wurden, zum Teil bis in die Gegenwart hinein!(22)

Der sog. „Sozialdarwinismus" ist nicht nur eine wissenschaftliche Absurdität, da er die Verhältnisse in der Natur grob verzerrt, er steht auch im krassen Gegensatz zu meinen eigenen humanistischen Überzeugungen. Ich war stets der Meinung, dass die höchste Befriedigung sich einstellt, wenn man ganz bestimmten Instinkten folgt, nämlich den sozialen Instinkten. Wer zum Besten anderer handelt, wird die Anerkennung seiner Mitmenschen erfahren und die Liebe derer gewinnen, mit denen er zusammenlebt; und dieser zweite Gewinn ist ohne Zweifel die größte Freude auf dieser Erde.(23)

Ich habe oft, sehr oft bedauert, dass ich meinen Mitmenschen nicht mehr unmittelbar Gutes getan habe. Dafür habe ich nur eine einzige armselige Entschuldigung: meine oft schwache Gesundheit und meine geistige Konstitution, die es mir äußerst schwer machte, meine Aufmerksamkeit von einem Gegenstand zum anderen zu wenden. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, mit hoher Befriedigung meine gesamte Zeit der Philanthropie zu widmen, aber eben nicht nur einen Teil davon, auch wenn das eine weit bessere Verhaltensweise gewesen wäre.(24)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen - auch wenn vieles, sehr vieles, im Grunde noch gesagt werden müsste. Doch ich bin leider, Mensch sei's geklagt, ein sehr, sehr alter Mann, mit dem Sie Nachsicht haben müssen. Mit 200 Jahren, das werden Sie sicher verstehen, ist man einfach nicht mehr der Fitteste...