Presseschau | 11.07.2010

Es ist verdammt heiß


 

Deutsche wollen nichts wissen vom Glauben

Laut dem dritten Trendmonitor „Religiöse Kommunikation“, der vom Institut für Demoskopie in Allensbach und von Sinus Sociovision in Heidelberg im Auftrag der katholischen Mediendienstleistungsgesellschaft (mdg) erstellt wurde, können die Deutschen mit Religion im herkömmlichen Sinne nichts mehr anfangen.

Leider können philosophisch gesinnte Zeitgenossen auch nicht ganz glücklich über die Ergebnisse sein, denn sie offenbaren widersprüchliche und uninformierte Haltungen in der Bevölkerung. Zum Beispiel plädieren 70% der Katholiken, fünf Prozent mehr als 1979, für religiöse Werteerziehung, während zugleich zwei Drittel der Katholiken nicht mehr wissen wollen, was Gott oder die Kirche von ihnen erwarten. Stattdessen wollen sie ihre eigenen Anforderungen an sich selbst erfüllen, die aber nicht religiös sind.

Aber was ist „religiöse Werteerziehung“, wenn nicht die Erziehung zur Befolgung göttlicher, also kirchlicher Gebote? Noch merkwürdiger ist die Tatsache, dass die Weitergabe des Glaubens in den Familien weitgehend ausfällt, wie Rüdiger Schulz vom Institut für Demoskopie in Allensbach feststellt. Die Katholiken sind also für religiöse Werteerziehung, aber ohne Gott und Kirche, und sie möchten diese religiöse Werteerziehung nicht selbst durchführen. Vielleicht ist „religiöse Werteerziehung“ für Katholiken etwas, das einfach gut klingt und das sie darum befürworten, ohne dass es sie näher interessieren würde, was das ist?

86% der Deutschen sind mit dem sozialen Einsatz der Kirchen einverstanden. Offenbar wissen sie nicht, dass dieser zu über 90% von Staat und Beitragszahlern finanziert wird, die Kirchen also fast gar nichts mit „ihrem“ sozialen Engagement zu tun haben. Beliebt sind die Kirchen für ihr Engagement für den „Frieden“, obwohl die Kirchen vom Staat für die Militärseelsorge bezahlt werden und sie in Afghanistan Soldatengottesdienste abhalten, während sie in der Öffentlichkeit den Frieden predigen. Aber „Frieden“ klingt ja immer gut.

Die katholischen Kirchenmitglieder interessieren sich kaum für ihre eigene Kirche. 37 Prozent sind der Kirche „kritisch verbunden“, für 32 Prozent bedeutet die Kirche nicht viel, und sechs Prozent brauchen gar keine Religion. Immerhin hat die katholische Kirche noch 37% eng verbundene Mitglieder, die Protestanten dagegen haben nur 12% dieser Spezies. Die Kirche verliert „in allen Bereichen“, so Schulz.

Wozu ist die Kirche noch gut? Für 68% der Deutschen sind das Rituale wie Taufe und Hochzeit. 50% sind aus Familientradition dabei. 35% mögen Gottesdienste. Die Eucharistie (Kekswerdung Jesu) ist den Deutschen mit 22% Zustimmung wichtiger als Vorbilder in den Kirchen und Gespräche über den Glauben mit elf Prozent. Die Deutschen essen also lieber Kekse, als sich mit dem Glauben zu befassen.

Der Trend geht in Richtung religiöse Indifferenz. Leider ist religiöse Indifferenz, im Gegensatz zum säkularen Humanismus, keine bewusst reflektierte Position. Im Grunde muss es nur wirtschaftlich schlechter laufen und die Deutschen werden wieder gläubiger. Wer indifferent ist, der ist auch offen für jeden Unsinn. Wenigstens haben die Kirchen keine privilegierte Position mehr, um zu bestimmen, wie dieser Unsinn in Zukunft auszusehen hat.

 

AM