Rezension | 14.12.2010

Es ist nicht alles relativ

 

Ein Wahn der Eliten

In der deutschen Blogossphäre gab es vor einer Weile eine lesenswerte Auseinandersetzung zwischen einigen Naturwissenschaftlern und einer Professorin für „Ökofeminismus“ – ein akademisches „Fachgebiet“. Diese Professorin namens Claudia von Werlhof meinte, das damalige Erdbeben in Haiti wäre von den Amerikanern künstlich mittels der HAARP-Anlage ausgelöst worden, um in Haiti einmarschieren zu können. Verteidigt hat sich Claudia von Werlhof in einem offenen Brief, wo sie ihre Sicht noch einmal bestärkt und unter anderem folgendes aussagt:

„Dabei habe ich nichts Geringeres als die theoretisch, ja paradigmatisch völlig neue Sicht der in Innsbruck in über 20 Jahren entstandenen „Kritischen Patriarchatstheorie" auf die Neuzeit und Moderne als „kapitalistisches Patriarchat" und historisch tief verankertes Projekt einer „Schöpfung aus Zerstörung" vertreten, die es inzwischen objektiv nötig macht, der - an ihre dadurch nun auftretenden Grenzen geratenen - westlichen Zivilisation eine Alternative entgegen zu setzen.“

Die westliche Zivilisation taugt also mal wieder nichts, da kann sie noch so viel Wohlstand und Freiheit für alle produzieren. Erstaunlich, dass eine zutiefst patriarchale Gesellschaft den Lehrstuhl einer Ökofeministin bezahlen sollte, aber in bestimmten akademischen Sphären ist inzwischen alles so relativ, dass man mit dem nötigen pseudo-intellektuellen Soziologenwortschatz einfach alles behaupten kann, ohne dafür ausgelacht zu werden.

Der Astronom Florian Freistetter antwortete unter anderem wie folgt auf diesen feministischen Einblick in die Verderbtheit der Moderne: „Ich bin nur Astronom und kann über eine "kritische Patriarchatstheorie" nichts sagen. Aber das ist auch völlig unerheblich - denn die Entstehung von Erdbeben wird von der Geophysik erforscht. Und der sind "kapitalistisches Patriarchat" und ähnliches völlig egal. Da kann die USA noch so böse sein und patriarchalisch und kapitalistisch und ausbeuterisch und was auch immer: das alles wird ihr nicht dabei helfen, Erdbeben zu erzeugen. Die Geophysiker wissen heute sehr gut, wie Erdbeben entstehen und wie sie nicht entstehen. Zum Beispiel können sie definitiv nicht durch Atmosphärenforschung entstehen, wie sie in der HAARP-Anlage von Alaska stattfindet.“

Naturwissenschaftler fahren gut, wenn sie sich nach diesem Beispiel konsequent einer Verwässerung ihrer Forschung entgegenstellen. Ulrich Bergers Antwort war gut gemeint, doch ist ein solches Bestreben nach Ausgeglichenheit in diesem Fall gar nicht nötig: „Die Frauenforschung hat mit all dem nicht viel zu tun, doch mit diesem Interview hat Frau von Werlhof ihren eigenen Anliegen wohl einen Bärendienst erwiesen.“ Das Anliegen von Frau Werlhof besteht darin, der westlichen Zivilisation eine „Alternative“ entgegenzusetzen – man kann nur hoffen, dass sie ihrem Anliegen einen Bärendienst erweist.

Ein weiteres Beispiel ist die Ethnologin Ingrid Thurner, die glaubt, dass sich muslimische Frauen verhüllen, weil sie sich nicht über ihren Körper definieren lassen wollen. Der skeptische Blogger Vonhaeften findet die folgenden Worte dafür: „Verklemmte Moral-Apostel und dem Gender-Wahnsinn Verfallene wie die Kulturanthropologin Thurner instrumentalisieren [...] die Verschleierten für ihre Zwecke und unterstützen damit die menschenverachtende Behandlung von Frauen im Islam.“

Frauen, die von ihren prügelnden Männern in Säcke gestopft werden, sind also feministische Revolutionäre, die sich nicht über ihren Körper definieren lassen wollen. Eine positive Seite hat das Ganze aber schon: Vielleicht werden sich nun solche „Feministinnen“ auch einen Sack über den Kopf ziehen.