Rezension | 14.12.2010

Es ist nicht alles relativ

 

Glaube im Gehirn

Glaube ist assoziiert mit größerer Aktivität im medialen präfrontalen Cortex (MPFC). Diese Region im Frontallappen befasst sich mit der Verbindung von faktischem Wissen mit relevanten emotionalen Assoziationen, mit einer Verhaltensänderung in Reaktion auf Belohnung und mit zielbasierten Handlungen. Das MPFC dient der Realitätsüberwachung und Verletzungen in diesem Hirnbereich haben dazu geführt, dass Menschen konfabulieren, dass sie also falsche Aussagen machen, ohne sich darüber im Klaren zu sein. Ihre Fähigkeit, wahre Aussagen von falschen zu unterscheiden, war eingeschränkt.

Die größere Aktivität im MPFC für Glauben im Vergleich zum Nichtglauben, die Sam Harris in seiner Doktorarbeit herausgefunden hat, könnte auf die größere Relevanz für das Selbst oder den größeren Belohnungswert von wahren Aussagen verweisen. Wenn wir eine Aussage für wahr halten, ist das so, als ob wir sie zu einem Teil unseres erweiterten Selbst machen. Wir sagen quasi „Das ist meines. Ich kann es verwenden. Es passt zu meiner Weltanschauung.“ Diese Akzeptanz ist mit positiven Emotionen verknüpft: Wir mögen die Wahrheit.

Die Bewertung der Wahrheit von Aussagen, sogar von emotional vermeintlich neutralen, hängt eng mit Aktivität im limbischen System zusammen, das unsere positiven und negativen Emotionen bestimmt. Der Glaube an mathematische Wahrheiten (z.B. „2+6+8 = 16“) zeigte ein ähnliches Aktivitätsmuster wie ethischer Glaube (z.B. „Es ist gut, deine Kinder wissen zu lassen, dass du sie liebst“). Offenbar ist die Physiologie des Glaubens diesselbe, unabhängig vom Inhalt einer Aussage. Im Hinblick auf die zugrundeliegenden Hirnfunktionen ergibt eine Unterscheidung zwischen Fakten und Werten nicht viel Sinn.

Das dürfte die wohl größte Herausforderung sein für den angeblichen oder tatsächlichen naturalistischen Fehlschluss, dem Schluss vom Sein aufs Sollen.