Debatte | 29.06.2009

Das Ende des Appeasement

 

Episode VI: Der Nature-Skandal

 

23. Juni 2009: Der Physiker Sean Carroll schließt sich Coyne an. Zum Beispiel meint er: „Verschiedene Religionen stellen sehr unterschiedliche Behauptungen auf, aber normalerweise sagen sie am Ende so etwas wie ‚Gott hat das Universum in sechs Tagen erschaffen‘ oder ‚Jesus starb und ist wiederauferstanden‘ oder ‚Moses teilte das rote Meer‘ oder ‚tote Seelen werden ihrer karmischen Belastung entsprechend wiedergeboren‘. Und die Wissenschaft sagt: Nichts davon stimmt. Hier haben wir sie also: Die Inkompatibilität.“

Highlight des Tages und Highlight der ganzen Debatte ist die Auseinandersetzung zwischen dem Religionskritiker Sam Harris und dem Wissenschaftsjournalisten Philip Ball, der seit 20 Jahren für das einflussreichste Wissenschaftsmagazin der Welt schreibt, Nature. Leider nimmt ausgerechnet dieses Magazin mit aufdringlicher Deutlichkeit die Position der Allversöhner ein. Einer der Artikel von Philip Ball ist ein Beispiel hierfür und dieser nötigt Sam Harris dazu, ihn in die „Hall of Shame“ bei seiner Organisation, dem Reason Project, aufzunehmen. Das Reason Project ist eine Stiftung von naturalistischen Intellektuellen, die man als das englischsprachige Äquivalent der Giordano Bruno Stiftung bezeichnen kann.

Philip Campbell, Chefredakteur von Nature, schreibt Sam Harris eine Mail, in der er ihn dafür kritisiert, das Magazin für Einzelmeinungen (die von Philip Ball) verantwortlich zu machen. Sam Harris reagiert, indem er Campbell einen kritischen Leserbrief schickt, der sich auf Philip Balls Kritik bezieht. Wenn es nur eine Einzelmeinung gewesen sei, könne er ja eine weitere dieser Einzelmeinungen abdrucken. Der Leserbrief wurde vom Beirat des Reason Project abgesegnet, der zudem anbot, seine Unterschriften darunter zu setzen. Zu diesem Beirat gehören einige der einflussreichsten Wissenschaftler der Welt, zum Beispiel der zweifache Nobelpreisträger Steven Weinberg. Trotzdem wurde der Leserbrief abgelehnt und nicht nur das: Er wurde mit einem unpersönlichen, automatischen Ablehnungsschreiben abgelehnt, in dem behauptet wird, es fehle im Magazin der Platz für den Brief. Platz genug ist dagegen für einen Leitartikel, in welchem die Templeton-Stiftung in den Himmel gelobt wird.

Nature bezieht also nicht nur eindeutig Position für den theistischen Evolutionismus, sondern das wichtigste Wissenschaftsmagazin überhaupt lässt zudem keine abweichenden Meinungen zu, wenn es um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion geht. Warum Nature zudem offen Stellung bezieht für die wohlhabende Templeton-Stiftung, wirft dabei weitere, sehr beunruhigende Fragen auf.

Dieser Austausch zwischen Sam Harris und Philip Ball ist neben dem Nature-Skandal auch darum sehr lesenswert, weil Sam Harris darin die Position der „Neuen Atheisten“ so klar und nachvollziehbar erläutert, wie das noch in keinem der Bücher oder Essays der Bewegung geschehen ist. Wer also der englischen Sprache mächtig ist, der sollte die Debatte unbedingt nachlesen.

 

26. Juni 2009: Das bislang letzte bedeutende Ereignis der Diskussion ist ein Kommentar von Lawrence M. Krauss, ein bekannter Physiker und Astronom, der in der Debatte um Jerry Coynes Ausgangsessay bei edge.org meinte, dass Wissenschaftler die Religion ignorieren könnten und überhaupt das ganze Thema unwichtig sei. Sam Harris hat sich in seinem Essay „Es ist alles wahr“ über Krauss Meinung lustig gemacht. Schließlich, im Wall Street Journal, gibt Krauss dem „Neuen Atheisten“ recht und schlägt sich auf die Seite von Jerry Coyne und den „Non-Accomodationists“, den Unversöhnlichen.