Rezension | 02.09.2011

Eliten und Macht in Europa

Darwin-Jahr Bild

Michael Hartmann ist an der Technischen Universität Darmstadt Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Elitesoziologie. In seiner viel beachteten Studie "Der Mythos von den Leistungseliten (2002)" kam er anhand empirischer Daten zu dem Ergebnis, dass eine Chancengleichheit beim Zugang zu Elitepositionen in der Bundesrepublik nicht gegeben ist, sondern die soziale Herkunft einen großen Einfluss hat.

Seine Studie "Eliten und Macht in Europa" knüpft an die Vorgängerstudie an, weitet jedoch das Forschungsfeld auf Europa aus. Neben den drei großen EU-Ländern Deutschland, Großbritannien und Frankreich hat er dabei auch die Eliten aus Italien, Spanien, Österreich, den Niederlanden, Skandinavien und einigen osteuropäischen Ländern empirisch untersucht.

Hartmann ist es dabei gelungen, ein wirklich umfassendes Bild der Führungseliten Europas zu zeichnen. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die soziale Herkunft, die Bildungswege und die Karrieremuster der Eliten in den untersuchten Ländern höchst unterschiedlich sind. So zeichnen sich insbesondere Großbritannien und Frankreich durch eine sehr geringe soziale Mobilität aus. Hier läuft die Elitenrekrutierung ganz besonders über Elitebildungseinrichtungen zu denen eben nicht jeder einen Zugang hat und allzu oft die soziale Herkunft entscheidend ist. Diese Erkenntnis gewinnt übrigens vor dem aktuellen Hintergrund der Unruhen in Großbrittanien an Relevanz. Hartmanns Studie straft all diejenigen Lügen, die meinen man könne etwa in Großbrittanien vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen, wenn man sich nur anstrengen würde.

Ganz anders zum Beispiel sieht es mit der sozialen Mobilität dagegen in den skandinavischen Ländern aus. Hier spielt die soziale Herkunft eine sehr viel geringere Rolle. Ferner gelingt es Hartmann anhand des gesammelten Materials auch nachzuweisen, dass es zwischen den Elitestrukturen und der sozialen Ungleichheit einen Zusammenhang gibt. Dabei gilt ganz simpel: Je exklusiver und homogener eine nationale Elite ist, umso größer ist auch die Kluft zwischen Arm und Reich.

Hartmann ist es erneut gelungen, eine unverzichtbare Studie vorzulegen. Sie sollte nicht nur Pflichtlektüre für angehende Soziologen werden, sondern jeder politisch interessierte Bürger, sollte sich die Daten dieser Studie genau ansehen. Besonders wünschenswert wäre es, wenn auch unsere politischen Eliten einmal einen Blick riskieren würden. Sie müssten sich allerdings dann von ihrem Lieblingsmärchen der Chancengleichheit verabschieden.

Eine Besprechung von Frank Welker zum Buch: 

Michael Hartmann: "Eliten und Macht in Europa. Ein internationaler Vergleich." Frankfurt: Campus, 2007, 268 Seiten. ISBN-13: 978-3593384344. EUR 19,90.