Ethikologie | 06.06.2010

Eine Wissenschaft des Glücks

 

Simplizissimus Glück

Kann man "Sollen" nicht von "Sein" ableiten?

Natürlich konnten die Forscher das nicht einfach so hinnehmen, also haben sie die komplizierteste Mathematik angewendet, die sie auftreiben konnten, um Glück und Lebenserwartung miteinander zu kombinieren. Am Ende hat sich folgende, frustrierend einfache Formel durchgesetzt:

Glückliche Lebensjahre = Lebenserwartung bei Geburt x 0-1 Glücklichkeit

oder:

Glückliche Lebensjahre = (Lebenserwartung bei Geburt) x (Glücklichkeitswert / 10)

Nehmen wir an, dass die Lebenserwartung in einem Land „60“ Jahre beträgt und der Durchschnittswert auf der Glücklichkeits-Skala ist „5“:

60 x 0.5= 30

Also sind die Menschen im untersuchten Land im Schnitt 30 Jahre lang glücklich. Beträgt ihr Glücklichkeits-Wert dagegen „8“, dann ist der GLJ (Glückliche Lebensjahre) „48“.

Mehr Mathematik ist nicht nötig, um Glück zu messen. Es ist überhaupt kein Problem. Entsprechend einfach ist es, auf dieser Basis eine Wissenschaft des Glücks zu entwickeln: Man muss sich lediglich ansehen, welche Faktoren für das Glück der Menschen verantwortlich sind. Seit Veenhovens Studie (2005) ist das bereits zum Teil erledigt worden.

 

Modernes Glück?

Wer ist glücklicher? Die Menschen in modernen Ländern oder die Armen in Drittweltländern? Schauen Sie einfach selbst nach in der World Database of Happiness.

Wieder gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man feststellen kann, ob ein Land modern ist. Der „Human Development Index“ und der „Index of Social Progress“ beziehen zahlreiche Faktoren mit ein. All diese Faktoren korrellieren stark mit der Kaufkraft pro Kopf, also kann man es sich wieder leicht machen und einfach diese als Maßstab für eine moderne Gesellschaft verwenden. Vergleicht man den GLJ der Länder Dänemark, Belgien, Frankreich, Westdeutschland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und England von 1973 bis 1999, so ist ein eindeutiger Trend festzustellen: Der GLJ ist von 46,5 im Jahre 1973 auf 51,3 im Jahre 1999 angestiegen. Falls sich der Trend fortsetzt, werden West-Europäer im Jahre 2050 ganze 62,2 Jahre ihres Lebens glücklich sein, was einem Zugewinn an Lebensglück von 15,7 Jahren in weniger als einem Jahrhundert entspricht. Ähnliche Trends kann man für andere entwickelte Länder wie die USA und Japan feststellen.

Und wie lautet nun das Ergebnis? Veenhoven: „Der GLJ ist systematisch höher in reichen Nationen als in armen.“ Der GLJ korrelliert positiv mit Industrialisierung, Informatisierung, Urbanisierung und Individualisierung. „Die Korrelationen sind stark und lassen keinen Zweifel daran, dass Menschen in den meisten modernen Gesellschaften länger und glücklicher leben.“

Aber gibt es einen optimalen Grad an Modernisierung? Sind wir irgendwann zu modern? War vielleicht eine frühere Stufe der Modernität besser? Um diese Frage zu beantworten, hat Veenhoven die Entwicklung der glücklichen Lebensjahre über die letzten Jahrzehnte in den modernen Ländern untersucht und sie statistisch ausgewertet. Das Ergebnis: „All dies beweist, dass das Leben besser wird und nicht schlechter, zumindest in den modernsten Nationen unserer Zeit.“

Ein interessanter Nebenschauplatz sind die ehemaligen kommunistischen Länder: Veenhoven hat herausgefunden, dass es eine Übergangsphase im Lebensglück gibt: Direkt nach dem Fall der Mauer waren die Menschen lange Zeit unglücklicher in den betroffenen Ländern. Aber kein Grund zur Sorge: Der Trend kehrt sich gerade um und der Osten gleicht sich dem Westen auch in Punkto Lebensglück an.