Podiumsdiskussion | 04.12.2009

Diskutieren mit Kreationisten?

 

Keine Aufwertung von Geschichtsleugnern

Richard Dawkins vergleicht Kreationisten in seinem neuen Buch „The Greatest Show on Earth“ mit Holocaustleugnern und nennt Vertreter einer geschichtsverdrehenden Ideologie allgemein „Geschichtsleugner“. Er hat sich schon vor Jahren dazu entschlossen, nicht mehr mit Kreationisten zu diskutieren. Darin war er sich einig mit dem Biologen Stephen Jay Gould und die beiden waren sich ansonsten gewiss nicht oft einig. Diese Position begründete Dawkins in einem Essay. Damals schon haben Kreationisten Goulds Konzept des Punktualismus verdreht, um zu zeigen, dass es angeblich keine Zwischenformen gäbe. Gould riet Dawkins davon ab, mit Kreationisten zu debattieren und er tat dies mit folgenden Worten:

„Gewinnen ist nicht das, was Kreationisten realistischerweise anstreben. Für sie genügt es bereits, dass die Debatte überhaupt stattfindet. Sie brauchen Publicity. Wir nicht. Für die gutgläubige Öffentlichkeit, die ihr natürlicher Adressat ist, reicht es schon, dass sie sieht, wie ihr Mann [der Vertreter der Kreationisten] eine Plattform mit einem echten Wissenschaftler teilt. ‚Da muss doch etwas am Kreationismus dran sein, oder Dr. Soundso wäre nicht damit einverstanden gewesen, darüber unter gleichen Bedingungen zu debattieren.‘ Ebenso wird man der Feigheit bezichtigt, wenn man die Einladung ablehnt, oder der Unfähigkeit, seine eigenen Ansichten zu verteidigen. Aber das ist besser, als die Kreationisten mit dem auszustatten, nach dem es sie verlangt: Der Nährstoff der Respektabilität in der Welt der echten Wissenschaft.“

Es sei daran erinnert, dass Stephen Jay Gould, im Gegensatz zu Richard Dawkins und im Gegensatz mir, die Ansicht vertrat, dass Evolutionstheorie und Religion sehr wohl kompatibel sind. Er sprach von einem „Non-Overlapping Magisteria“ (NOMA), laut der Wissenschaft und Religion unterschiedliche Bereiche abdecken würden. Und trotzdem war Gould gegen öffentliche Debatten zwischen Wissenschaftlern und Kreationisten. Ebenso könne man, so Dawkins, mit der „Flache-Erde-Gesellschaft“ debattieren. Man stelle sich vor, das Deutsche Historische Museum würde eine faire und sachliche Debatte zwischen Historikern und Holocaustleugnern organisieren. Etwas vom Wahrheits- und Sinngehalt her Vergleichbares hat das Naturkundemuseum Stuttgart getan, nur mit Biologen und Kreationisten als Besetzung und mit der Wahrheit der Evolutionstheorie statt der Wahrheit des Holocausts als Thema. Wer den Vergleich aufgrund der Unterschiede in der moralischen Bewertung nicht akzeptieren will, hat insofern zwar recht, sollte sich aber dennoch daran erinnern, wie die politischen Ideale von Kreationisten – also von christlichen Fundamentalisten – in der Regel aussehen.

 

Kreationisten sind Fundamentalisten

Als repräsentatives Beispiel ist die sehr einflussreiche und wohlhabende US-Kreationistenorganisation Answers in Genesis geeignet. Auf ihrer Website findet man umfassende Vorgaben für Kreationisten zu ethischen Themen.

Abtreibung und Feminismus sind Lügen, die die familiäre Einheit zerstören wollen, die Gott erschaffen hat“, heißt es dort in einem affirmativen Zitat. Die Autoren von Answers in Genesis sind prinzipiell gegen Stammzellenforschung, sie glauben, dass die Evolutionstheorie für die Gräueltaten von Stalin und Hitler verantwortlich war, sie sind gegen homosexuelles Verhalten und gegen Homo-Ehe. Ihre Ansichten über die Gründe für die Existenz von menschlichen Rassen sind zwar absurd, aber sie lehnen den Rassismus ab, wofür sie allerdings evolutionäre Argumente gebrauchen, während sie gleichzeitig die Evolutionstheorie für den Rassismus verantwortlich machen. Das ebenso einflussreiche Institute for Creation Research schließt sich der Verschwörungstheorie um die "fabrizierte" globale Erwärmung an. Es ist kein Wunder, dass der Europarat den Kreationismus in einem Dokument als „ernsthafte Gefahr für die Menschenrechte“ bezeichnet hat.

Was mich obendrein besonders stört ist die Rede auf der Website der Veranstalter von einer „hochkarätig besetzte[n] Podiumsdiskussion“. Sind christliche Fundamentalisten wirklich eine hochkarätige Besetzung?