Rezension | 25.03.2009

Darwins Würmer und Freuds Tod

Darwins Würmer

Einige prägnante Sätze und ein Verständnis für Gemeinsamkeiten zwischen Darwin und Freud erwirbt man bei der Lektüre des kleinen Buchs von Adam Phillips.

In vier Teilen – einem langen Vorwort, einem Teil über Darwin und seine Würmer, einem Teil über Freud und den Tod sowie dessen Ablehnung von Biografien, und zuletzt einem Epilog – arbeitete der Psychoanalytiker Adam Philipps bereits 1999 (übersetzt wurde es 2007) einige Punkte heraus, die Darwin und Freud uns Menschen, der Menschheit auf den Weg gegeben haben.

Schöne Sätze wie die folgenden machen einfach Freude: „Für beide sind wir die Tiere, die vor allem an ihren Idealvorstellungen leiden. Der Kerngedanke ihrer Arbeiten ist nicht bloß, dass wir unsere Ideale benutzen, um unsere Realität zu verleugnen und uns – mehr als nötig – gegen sie abzuschirmen, sondern dass diese Ideale von Erlösung, Heil, Fortschritt, vollkommener Weisheit, absoluter Güte Ausflüchte sind, die uns hindern, in der Welt, wie sie nun einmal ist, zu leben und herauszufinden, wie sie ist und wie wir in ihr leben könnten.“ Beide – Darwin wie Freud – stellt Phillips als jene heraus, die der Menschheit helfen wollten, sich selbst als Natur zu verstehen, nicht als über ihr stehend, denn: „Natur wird damit zu einer anderen Bezeichnung für das Mögliche.“ Wir Menschen versuchten immer wieder, die Herrschaft über etwas zu erlangen, von dem wir seit jeher beherrscht würden.

Da es in Darwins Würmer und Freuds Tod um das Vergängliche geht, genauer: um dessen Sinn, wird Darwins Interesse an der Zerstörung und der daraus resultierenden Erhaltung des Lebens beleuchtet. Bei Darwin seien es nicht Gott, nicht der Mensch, es seien die Würmer, die sowohl die Vergangenheit bewahrten, indem sie diese vergraben und konservieren hülfen. Mit ihrer steten Arbeit schafften Würmer zugleich die Bedingungen für künftiges Wachstum, denn ihre Verdauungsprozesse machten die Erde fruchtbar. Nach Darwin bedurfte es keiner Gottheit, um solche Fortdauer zu sichern. Es seien die Würmer, durch deren Körper hindurch die Erde immer und immer wieder aufs Neue wiedergeboren würde, interpretiert der Psychoanalytiker Adam Phillips Darwins begeisterte Ausführungen über Würmer. Darwin ersetzte damit den Schöpfungsmythos durch einen säkularen Instandhaltungsmythos. Darwin lehnte sich übrigens nicht offen gegen das Christentum und den Theismus auf, weil er diese Strategie für weniger zweckmäßig hielt als „allmähliche Erleuchtung des menschlichen Geistes, wie sie sich aus den Fortschritten der Wissenschaft ergibt“.

Im etwas redundanten Teil über Freud, dessen Ablehnung der Biographie, da ein Menschenleben nicht wirklich erfasst werden könne, und seiner verwegenen These des Todestriebes, kommt Phillips zu dem Schluss, das einzig Sichere in unserem Leben sei der Tod. Er ziehe uns an, begrenze unser Leben und der Todestrieb stehe, so der Autor, „für jenen Teil von uns, der entschieden nicht wissen will“, was uns wiederum die Idee nahe brächte, „dass Nichtwissen uns jenes Leben bescheren wird, nach dem wir uns sehnen.“

Phillips macht klar, woran religiöse Heilsvorstellungen anknüpfen können, an unseren Idealen nämlich. Idealvorstellungen könnten dann als Rechtfertigung für Bestrafung dienen. Diese Ideale versuchten sowohl Darwin als auch Freud zu relativieren, indem sie Menschen zur Natur erklärten. Beide wehrten sich gegen die Definition vom Menschen als etwas (potenziell) „Höherem“. Und gäbe es nichts Höheres, gäbe es auch nichts Niederes. Beide sahen in der Vergänglichkeit, in Zerstörung und Tod zugleich eine notwendige Chance für die Entstehung von Neuem. Vor allem Gewohnheiten gelte es in Frage zu stellen, gewohnte Denkmuster, gewohnte Überzeugungen, Vorurteile. Der Tod des natürlichen Körpers wie der Gewohnheiten macht, so könnte man zusammenfassen, den Weg frei für die Zukunft.

Fiona Lorenz

 

Adam Phillips: Darwins Würmer und Freuds Tod. Über den Sinn des Vergänglichen. Aus dem Englischen von Florian Langegger

1. Auflage 2007
126 Seiten, kartoniert
12,90 € [D]
ISBN 978-3-525-40401-0