Rezension | 05.06.2009

Darwins Schwestern

Darwins Schwestern Cover

Kaum eine der in Darwins Schwestern von verschiedenen Autorinnen porträtierten Biologinnen könnte Darwin das Wasser reichen. Nichtsdestotrotz ist die Biografiesammlung lesenswert.

Vor allem deutsche Naturforscherinnen werden porträtiert, angefangen bei den Pionierinnen, Maria Sybilla Merian (1647-1717) und Amalie Dietrich (1821-1891).

Maria Sybilla Merian ist Insektenforscherin und liefert bereits 50 Jahre vor Linnés Klassifikation eine allererste bildliche Systematik der Schmetterlinge. Man muss dazu wissen, dass zu dieser Zeit Schmetterlinge im Volksglauben immer noch als Hexen galten, die als schöne Falter an der Sahne lecken und diese verderben (“butterfly”). Merian denkt zudem bereits in Kreisläufen, also in ökologischen Zusammenhängen. Mit 52 Jahren begibt sie sich mit ihrer Tochter auf eine Forschungsreise in den südamerikanischen Urwald - eine Reise, für die sie Forschungsgelder einwerben kann. Das daraus entstehende Buch macht sie weltberühmt.

Amalie Dietrich wiederum ist geradezu besessen von Botanik. Um Pflanzen und Kräuter zu sammeln und diese systematisch klassifizieren zu können, reist sie mitunter siebzehn Wochen zu Fuß durch Deutschland oder elf Wochen durch die Salzburger Alpen, da sie sich eine Fahrt mit der Eisenbahn nicht leisten kann. Ihr Kind gibt sie während ihrer Reisen in Pflege. Sie wird zur Pflanzenexpertin, führt unterwegs Gespräche mit Fachgelehrten an den Universitäten, Professoren und Direktoren der botanischen Gärten. Mit 41 bewirbt sie sich bei dem Hamburger Reeder und Großkaufmann Cesar Godeffroy um den Auftrag, in der Südsee zu forschen. Sie wird abgelehnt, besorgt sich umgehend anerkennende Urteile namhafter Wissenschaftler, und erhält doch den Auftrag. Vor der Reise lässt sie sich noch von einem Konservator ausbilden, lernt Englisch und den Umgang mit der Waffe und erforscht daraufhin zehn Jahre lang den australischen Busch. Ihre Sammlungen werden zu einem Anziehungspunkt für die wissenschaftliche Welt, viele Arten werden nach ihr benannt.

Auch die Geschichte der ersten Hochschulprofessorin in Deutschland, Margarete von Wrangell (1877-1932), ist unterhaltsam verfasst. Daisy, wie sie genannt wird, promoviert nach dem Studium diverser Fächer wie Mathematik, Botanik und Chemie in chemisch-physikalischer Thematik. Später arbeitet sie bei Sir William Ramsey in London sowie bei Marie Curie in Paris und beschäftigt sich mit Radioaktivität. Nach vielen verschiedenen Aufgaben, mit denen sie betraut wurde, diversen Forschungsarbeiten und angewandter Wissenschaft besteht Baronesse Wrangells bleibendes Verdienst als Wissenschaftlerin darin, nachgewiesen zu haben, dass Pflanzen ihren Bedarf an Nährstoffen niemals dem Boden entnehmen, sondern aus der Bodenflüssigkeit.

In der Porträtsammlung finden sich weitere Lebensgeschichten und Berichte über Entdeckungen. Die Geschichten von Nobelpreisträgerinnen wie Barbara McClintock, Christiane Nüsslein-Volhard und Karin Lochte, von der einzigen Frau im Club of Rome, Elisabeth Mann Borgese, von einer nazikritischen Zoologin, drei Genetikerinnen sowie von vier jungen Naturwissenschaftlerinnen sind mal mehr, mal weniger interessant aufbereitet.

Klar wird: Wer es zu etwas bringen will, wer die Wissenschaft voranbringen will, musste und muss hart dafür arbeiten - egal, ob Mann oder Frau. Manche der Frauen waren passioniert, sogar besessen von ihrem Fachgebiet und erarbeiteten sich über die Zeit Bewunderung und Anerkennung in der Fachwelt. Da es deutschen Beamtinnen lange Zeit verboten war zu heiraten, ergab sich das Vereinbarkeitsproblem für die Wissenschaftlerinnen in der Regel nicht. Andere lösten es auf ihre Weise, indem sie ihr Kind weggaben. Das hat nur indirekt mit Biologie, Naturwissenschaft und Forschung zu tun, und dennoch: Da Mütter in der Regel ihre Kinder betreuen (sollen), bedeutet dies für Forscherinnen, entweder keine Kinder zu bekommen, der Wissenschaft als Mutter nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt zur Verfügung zu stehen oder aber als Rabenmutter zu gelten.

Ob Frauen nun tatsächlich eine andere Sicht auf wissenschaftliche Sachverhalte einnehmen, wie von der Herausgeberin, Gudrun Fischer, postuliert - ihr Fehlen in der Wissenschaft könnte Wahrnehmungslücken verursachen, ihre Beteiligung dagegen die Forschung bereichern. Das macht die Vereinbarkeitsproblematik zu einem Problem für die Wissenschaft.

Fiona Lorenz

Fischer, Gudrun (Hg.): Darwins Schwestern. Porträts von Naturforscherinnen und Biologinnen. Orlanda Verlag. 2009