Gastbeitrag | 17.12.2009
Und warum brechen unsere Wirtschaftssysteme seit Jahrtausenden immer wieder regelmäßig in sich zusammen? Warum verlieren Millionen Menschen Hab und Gut? Warum müssen immer wieder neue Währungen und Banksysteme geschaffen werden? Wenn wir uns noch einmal unsere steinzeitliche Gruppe in ihrem Privatrevier ansehen, so fällt zunächst auf, dass eigentlich gar nichts verloren geht. Das Revier ist immer noch vorhanden. Die Früchte wachsen und das Wasser fließt von alleine. Niemand müsste Hunger leiden. Alles, was sich verändern kann, sind die Versprechungen und Machtverhältnisse der Gruppenmitglieder untereinander. Hier wird abgewogen, wer wem helfen sollte, um in Zukunft Gegenleistungen verlangen zu können. Hier werden Koalitionen geschmiedet und Versprechungen gegeben, um an die Macht und die Fortpflanzung zu gelangen. In einer Gruppe, in der die Mitglieder mit und gegeneinander leben, geht es um Wahrscheinlichkeiten, Spekulationen und Vertrauen. Es geht um die Gratwanderung jedes einzelnen, wann er die Gruppe braucht und daher sozial sein sollte, und wann er sich gegen Einzelne wenden sollte, um seinen Vorteil zu maximieren. Und in (vermeintlichen) Notzeiten sollten einige Mitglieder geopfert werden können, um die Ressourcen für die “Gewinner” freizumachen.
Und genau dies ist unser Wirtschaftssystem. Wer benutzt wen, um nach oben zu kommen? Wer zieht seine Energien ab, um auf jemand anderen zu setzen? Und alles geschieht unter der Maxime der Steinzeit, dass es wenige Gewinner in der Gruppe geben darf, sowie einige Verlierer, die als Statisten und Arbeitskräfte für die anderen geopfert werden können.
Eine Weltwirtschaftskrise ist daher nichts anderes als das Schaffen neuer Machtverhältnisse, damit die verschuldeten Teilnehmer ihre Arbeitskräfte unter neuen Hoffnungen und Versprechungen wieder zur Verfügung stellen müssen. Den Gewinn schöpfen diejenigen ab, die in die richtige Machtkoalition investiert haben und die anderen zur Kasse bitten. Und wer bezahlt die Weltwirtschaftskrise im Darwin-Jahr....? Richtig: Sie! Im Prinzip nimmt sich ein Aktionär oder Banker ihr Gespartes als Gewinn, Boni oder Gehalt und schließt die Lücke dadurch, dass er den Politikern empfiehlt, das entstandene Loch durch das Verschulden ihrer Arbeitskraft, sprich Steuern, wieder zu stopfen.
Solange wir die Illusionen unser Psyche nicht als das entlarven, was sie sind, geht die Evolution für uns weiter. Wir alle opfern Menschenleben, weil wir am Gewinn teilhaben und andere für uns arbeiten lassen wollen. Wir selber sind damit der Selektionsfaktor für die weitere Entwicklung des Menschen. Wir selektieren durch Gewinn, Krieg, Wirtschaftsembargos und Hartz-IV, welche Charaktere sich in Zukunft auf der Erde aufhalten werden, und welche Charaktere aussterben müssen. Wir selektieren die Psyche und das Verhalten des zukünftigen Menschen. Es liegt folglich an uns, welche Hölle wir für unsere Kinder schaffen wollen. Wollen wir wirklich an der Evolution festhalten und weiterhin unreflektiert daran teilnehmen? (3)
Andreas Kilian
Anmerkungen
(1) Blackmoore, Susan: Die Macht der Meme oder die Evolution von Kultur und Geist. München: Elsvier, Spektrum, Akad. Verlag 2005.
(2) Bock, Max von: Scheibenweise. Wie funktioniert Geld? 10 Punkte Plan zur effizienten Ausbeutung eines Planeten. Diplomarbeit 2005. Fachhochschule Aachen, Fachbereich Design.
(3) Kilian, Andreas: Egoismus, Macht und Strategien. Soziobiologie im Alltag. Alibri 2009.
Das Buch gibt es im Denkladen.