Veranstaltungsbericht | 09.02.2009

Darwin oder Moses


Fotokult

Die Fotos bekannter Wissenschaftler wurden damals gesammelt - ähnlich, so Voss, wie heute die Fotos von Fußballern, die gesammelt und in Alben eingeklebt werden. Die Fotografien wurden in Großauflage produziert und in Buchläden vertrieben. Auch tauschten die Wissenschaftler selbst über Ländergrenzen hinweg Fotografien von sich aus und sammelten die der anderen.

Ernst Haeckel, Professor in Jena, zu jener Zeit im deutschsprachigen Raum der berühmteste Vertreter der Evolutionstheorie und später Rassist, fixierte seine Aufmerksamkeit beinahe schon wahnhaft auf Bärte und sah Bartträger als Spitze der Evolution. So bat er Darwin, den er nie gesehen hatte, in einem sehr persönlich gehaltenen Brief um ein größeres Foto als jenes, welches über seinem Schreibtisch hinge - er habe ein großes ohne Bart, jenes mit Bart sei dagegen so klein, ob Darwin nicht eines für ihn anfertigen und ihm zukommen lassen könne. Episoden wie diese weisen auf die Funktion des Bartbildes von Darwin als Ikone hin. Darwin tat ihm übrigens den Gefallen und Haeckel sorgte für die rasche Verbreitung dieses Darwin-mit-Bart-Fotos.

In den Anfangszeiten der Fotografie gab es viele Fotografinnen, denen die Malerei verschlossen war, da diese an Akademien erlernt werden musste. Die Frauen brachten sich die Fotografie selbst bei und Julia Margaret Cameron, eine renommierte Fotografin, porträtierte dann auch Charles Darwin im Jahr 1868 mit Bart.

Den Bart ließ sich Charles Darwin 1862 vermutlich aus ästhetischen Gründen stehen, als er ein schreckliches Ekzem im Gesicht entwickelte. Das neue Bild versandte Darwin an seine Freunde und Kollegen. Er selbst befand, darauf sehe er wie „ein Geistlicher" aus, Freunde verglichen ihn mit einem Abbild Moses.

Ende 1881, kurz vor Darwins Tod im April 1882, erschien eine Ausgabe des Satiremagazins Punch mit Darwin-als-Gott in der Mitte der Evolution, die sich aus einem Wurm bis hin zum zeitgenössischen Menschen entwickelte: Man Is But A Worm.

Darwin wurde zur Kultfigur. Bereits zu Lebzeiten pilgerten Menschen zu seinem Wohnort, nur um zu beobachten, wie er im Garten spazieren ging.


Wie hielt es Darwin mit der Religion?

Die Evolutionstheorie, welche eine Antwort auf die Frage liefert: Was ist der Mensch, was ist ein Tier?, stand von Beginn an in Konkurrenz mit dem religiösen Glauben.

Emma, Darwins Ehefrau, war sehr religiös. Das führte zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden, die aber friedlich verliefen. Er selbst war Schatzmeister der Kirche seines Wohnortes, auch wenn er nach eigenen Angaben Agnostiker war. Gläubig war er nicht: „Ich kann zu dieser Frage so wenig sagen wie jeder andere", war seine Antwort, wenn jemand ihn danach fragte. Nach seiner Ansicht sollten Religion und Wissenschaft getrennt sein. Er lehnte einen Gott als Schöpfer „perfekten" Lebens ab, da Darwin zum einen immer „Fehler" in den Organismen fand und zum anderen für ihn der Zufall eine zu große Rolle bei der Evolution spielte, als dass ein „intelligenter Designer" seine Hände im Spiel gehabt haben könnte: Mit dem Evolutionstheoretiker Wallace führte Darwin als erster Variation und Selektion in die Evolutionstheorie ein.

Insgesamt hatte Darwin ein entspanntes Verhältnis zur Kirche und stand mit vielen Kirchenvertretern in engem Kontakt. Der Bibelfundamentalismus, wie wir ihn kennen, ist laut Voss ein relativ neues Phänomen, das im 18. Jahrhundert versiegt war und erst im 20. Jahrhundert wieder erstarkte. Im 19. Jahrhundert jedoch nahm niemand die Bibel wortgetreu.

Voss rief am Ende ihres Vortrages dazu auf, es bezüglich Religion Darwin gleichzutun und toleranter zu sein, und nicht, wie etwa Richard Dawkins, die Religion für „alles Übel der Welt" verantwortlich zu machen, um dagegen anzugehen.

Da sich Darwin jedoch im Gegensatz zu Dawkins einer Religion mit relativ freundlichem Antlitz gegenübersah, im Vergleich zu den radikalen Evangelikalen und Islamisten unserer Tage, sind gegebenenfalls wohl doch andere Umgangsweisen als Toleranz mit Religion erforderlich.

Fiona Lorenz


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